Lettre aktuell 1/2024
Lettre International 144 / Neue Ausgabe
Verehrte Damen und Herren, liebe Leserinnen und Leser, liebe Freunde,
heute, am 21. März 2024, erscheint die Frühjahrsausgabe von Lettre International, Nr. 144. Sie bietet auch im 36. Jahr nach Gründung 1988 originelle, kraftvolle, horizonteröffnende Essays und Reportagen, Analysen und Porträts, Geschichten und Interviews, Poesie, Kunst und Photographie und liegt ab jetzt im Buchhandel und ab Verlag, an Bahnhöfen und Flughäfen für Sie bereit.
In eigener Sache:
Wir leben in gefährlichen Zeiten. Kriegsszenarien verdüstern die Horizonte. Informationen, Erzählungen, Bilder, Inszenierungen, gewaltige Fälschungskapazitäten sind Instrumente der Eskalation. Die politische Sprache wird Medium des Interpretationskrieges.
Umso wichtiger werden unabhängige, profunde Interpretationskapazitäten. Politische Apparate und Massenmedien sind keine Garanten von ungebremster Neugier, Unbestechlichkeit und Komplexität. Sie stehen unter Druck. Umso wichtiger sind authentische Zeugenschaft, souveräne Kompetenz, ein insistenter Wille zum Wissen, der Mut zum Wahrsprechen. Neben literarischen, künstlerischen und kulturellen Erkundungen gibt Lettre daher wachen Analysen und konsequenten Reflexionen zu den aktuellen Bedrohungen Raum. Auch wir sind in diesem Krieg Partei auf Seiten der Demokratie und Freiheit. Vor allem aber möchten wir mit der Wahrheit im Bunde bleiben. Aufgeklärte Gesellschaften brauchen publizistische Kraftwerke, die zu substantieller Analytik, historischem Bewußtsein, erfahrungsgesättigtem Urteilsvermögen und geistesgegenwärtiger Zeitgenossenschaft beitragen. Eine völlig unabhängige (und nicht, wie andere Kulturzeitschriften, seit Jahrzehnten mit Hunderttausenden von Euro jährlich staatssubventionierte und also ökonomisch und existentiell völlig abhängige) Zeitschrift kann ein solcher explorativer, produktiver Akteur sein. Daß es einen solchen publizistischen Ort in Gestalt von Lettre International noch gibt, basiert allein auf dem Engagement der vielen Leserinnen und Leser sowie der Anzeigenkunden für unabhängige, weltoffene und hochqualitative Medien.
Ihnen allen, die Sie uns begleiten, möchten wir an dieser Stelle großen Dank bekunden! (Und vergessen Sie nicht: Abonnements sind unser Lebenselixier!)
IN KÜRZE
Die vielfach preisgekrönte russische Schriftstellerin im italienischen Exil Elena Kostioukovitch schildert die sich seit Beginn des 20. Jahrhunderts bis heute wiederholenden historischen Kämpfe um Kiew; Bernard Avishai, Sergio Benvenuto und Bernhard Kathan analysieren religiöse, kulturelle, historische und psychologische Hintergründe der Konflikte in Israel und Gaza; Martin Burckhardt erkennt Indizien für das Heraufziehen eines neues Mittelalters; Internet-Vordenker Geert Lovink fragt, wie man das digitale Katastrophenzeitalter nach dem Ende der Internet-Euphorie überstehen kann; Alexander Kluge und Steffen Martus erinnern an den philosophischen Alleszertrümmerer Immanuel Kant und untersuchen das Zeitalter der Aufklärung als offene Baustelle; René Belletto porträtiert den musikalischen Genius und das Lebensschicksal von Johann Sebastian Bach; Rolf Schönlau skizziert historische Episoden der Weltwahrnehmung von der Kartographie zum virtuellen Globus; Patrick Boucheron träumt von Erlebnissen und Geschichten in Mailand; Peder Frederik Jensen und Anders Rye Skjoldjensen begegnen einem Geistervolk in Kameruns bedrohten Regenwäldern; Andreas Wang erliegt dem Zauber von Islands Landschaften aus Feuer und Wind, Eis und Stein; Andrei Codrescu erinnert sich an Begegnungen mit Milan Kundera und Susan Sontag; Rüdiger Görner vertieft sich in Kafkas Drehmomente des Denkens; Bora Ćosić verabschiedet sich von seinem kroatischen Haus; Fabio Stassi würdigt Zürichs literarische Exilkultur; Bernhard J. Dotzler widmet sich dem Typus des Hochstaplers. Marco Baschera warnt vor der vermeintlichen Universalsprache des englischen Globisch. Briefe und Kommentare kommen aus dem Literaturbetrieb, aus ästhetischen Wüsten der Bauplanung, aus Dschibuti, Bali, New York, Viterbo, Wien und Rom. Der Künstler Matthias Deutsch erschafft mit seiner Malerei verstörende Landschaften, ein brillantes Photoportfolio von Ragnar Axelsson zeigt die imposante Natur der bedrohten Arktis.
UND DAS ERWARTET SIE:
IM AUGE DER DESPOTIE
Kiew, Hauptstadt der Ukraine, ist ein Objekt der Begierde seit Jahrhunderten, eine Festung gegen Eroberer verschiedenster Art, Bolschewisten, gegenrevolutionäre Truppen, die deutsche Wehrmacht, die Sowjetarmee und heute von Putins Eroberungsgelüsten; Kiew ist eine unermeßlich geschundene Stadt, aber auch eine des Widerstands, eine Festung über dem Abgrund der Barbarei. Elena Kostioukovitchs Familiengeschichte ist mit ihr zutiefst verwoben, und so spannt die Autorin ihre Betrachtung des Kiewer Schauplatzes von den Zeiten der russischen Revolution bis heute. Sie blickt auf Kiew durch zweierlei Augenpaare. Durch die Augen ihres Großvaters, eines gefeierten Schriftstellers und hochdekorierten Soldaten, der in einer glorreichen Woche nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges die aus dem Dresdner Zwinger und der Gemäldegalerie evakuierten Gemälde Tizians und anderer italienischer Meister in den 26 verschiedenen Evakuierungsverstecken in Sachsen aufspürte und zugänglich machte. Diese Augen haben auch die gigantische Kesselschlacht um Kiew gesehen, mit 700.000 Toten, einem der größten Siege der deutschen Wehrmacht gegen die Sowjetarmee, die hunderttausende Soldaten vergeblich gegen die deutschen Okkupanten ins Feuer schickte, und der Großvater war auch Zeuge der späteren Zerstörung architektonisch wertvollster Stadtviertel und Kirchen durch die sowjetischen Bauplaner nach Einverleibung der Ukraine. Kostioukovitch setzt Putins Angriffskrieg in Beziehung zu den historischen Ereignissen und erkennt in der russischen Strategie von heute ein Remake historischer Schlachtanordnungen der Vergangenheit. Der heutige Krieg wird in historischen Mustern gespielt. Faszinierende Einblicke in die Hintergründe des so tragischen wie verbrecherischen Geschehens von heute: Kiew im Kampf
HEIMAT ZWEIER VÖLKER
Der in den USA und in Jerusalem arbeitende Wirtschaftswissenschaftler Bernard Avishai analysiert die Bedeutung und die Auswirkungen des religiösen Zionismus für die Geschichte des Staates Israel. Er skizziert den virulenten Konflikt zwischen dem Modell eines säkularen demokratischen israelischen Staates mit einer strikten Trennung von Religion und Staat nach den Maximen einer liberalen Moderne einerseits und einem religiös integrierten Staatsgebilde andererseits, dessen Ideal die Wiederherstellung eines religiös fundierten Groß-Israels als göttliches Staatsgebilde unter Berufung auf das Alte Testament ist. Immer noch wird in Israel um die Schaffung einer demokratischen Verfassung gerungen. Die religiösen Fundamentalisten sind zuletzt einflußreicher und radikaler geworden. Es geht dabei auch um weitere Landnahme. Dieser Konflikt birgt einen Sprengstoff, der das Land zerreißen könnte: Israels innerer Krieg.
Der italienische Psychoanalytiker Sergio Benvenuto fragt, was sich hinter den mit schweren Ladungen versehenden Identitätszeichen „Jude“, „Nicht-Jude“ und „Palästinenser“ verbirgt. Wie konstituieren sich Völker, Nationen, Staaten? Wer sind die Träger der kollektiven Emotionen, die mit Namen und Titeln, Ansprüchen und Identitätsbehauptungen verbunden sind? Die Völker sind selbst auch Träger von Angst und Haß und keinesfalls nur die Gefolgsleute und Opfer ihrer Führer. Benvenuto beschäftigt auch die oszillierende Unklarheit und Uneindeutigkeit des Signifikanten „Jude“, in dem sich Abstammungsdefinitionen, Blutsverwandtschaft, religiöse, kulturelle und geographische Herkunftsmerkmale mischen, ohne daß auch nur eines dieser Identitätskriterien unwidersprochen bliebe: Israelis und Palästinenser.
Bernhard Kathan nähert sich dem Thema „Gaza“ in Form eines quicklebendigen, gedankenreichen Dialogs, der an Gespräche Naphtas und Settembrinis in Thomas Manns Zauberberg erinnert. Die geteilte Besorgnis über das nahöstliche Geschehen bringt zwei sich zufällig begegnende Gasthausbesucher dazu, das grausame Geschehen mittels Erinnerungen, Vertiefungen, historischen Analogien kaleidoskopisch auszuloten. Man spricht über das Gaza zur Zeit der römischen Besatzung Palästinas, über Jahrtausende zurückliegende Tunnel-Kämpfe verfeindeter Gemeinschaften; man kommt zu der Frage, ob und wie das europäische Norwegen und seine Gesellschaft mit einem massenmörderischen „Monster“ wie Anders Breivik so umgehen kann, daß sie ihre Zivilisiertheit bewahren können; man reflektiert über humane Gefängnisarchitektur für kriminelle Schwerverbrecher und menschliche Monster, über Licht und Dunkelheit, Wüste und Gärten, Himmel und Erdentiefe, über den Trost der Zeitlichkeit angesichts irreparabler Erfahrungen. Die gedanklichen Explorationen führen unabsehbare Unendlichkeiten vor Augen, vor denen jede Verabsolutierung von Haß als Verirrung und als verschwendete Zeit erscheint: Eyeless in Gaza.
GRUNDIERUNGEN
Die Gegenwartsdiagnose des Philosophen Martin Burckhardt lautet: Replay des Mittelalters. Manche Gegenwartsphänomene sind ihm Vorzeichen eines Rückfalls in Obskurantismus. Die Untergangsphantasien apokalyptisch gestimmter Klimaaktivisten erinnern ihn an millenaristische Bewegungen der frühen Neuzeit, das Green- oder White-Washing der Großindustrie an Roms katholischen Ablaßhandel. Sprachpolizisten wähnen sich als Avantgarde einer großen Reinigung der Gesellschaft von Apostaten und Häretikern, wobei das laute chorische Sprechen die Zweifel des individuellen Menschenverstands an den eigenen Glaubensgewißheiten übertönt. Wie kann eine aufgeklärte, liberale und freiheitliche Gesellschaft in Muster der Realitätsverleugnung zurückfallen? Kann man solchen Phänomenen mit dem Modell der Psychose nahekommen?
Das Netz macht nicht mehr high. Der Traum ist ausgeträumt. Internet-Vordenker Geert Lovink beschreibt in der Web-Gemeinde umlaufende psychische Schocks und Ernüchterungen nach dem Ende der digitalen Illusion. Statt weltumspannender neuer Freiheit dominieren im World Wide Web Privatisierung, Kapitalisierung und Kontrolle. Auch der Versuch, die eigene Souveränität durch eine bittersüße Ironisierung des eigenen Scheiterns zu bewahren, ist vorbei. Schock und Frust sitzen tief, und es herrscht Hilflosigkeit. Die bisherigen Aktivisten sind keine Akteure mehr, sondern verhalten sich nahezu wie Zuschauer des 21. Jahrhunderts. Was kann nach der weitverbreiteten Apathie, nach Zynismus, Lähmung und Langeweile noch kommen? Wie kann man dem Empfinden desaströser digitaler Ausweglosigkeit entgegenwirken, wie können sich frische Energien herausbilden für einen Neubeginn? Ein Vogelflug über elektronische Landschaften nach der Schlacht: Copium Compendium
Die Weiterentwicklung von KI stellt die individuelle Urheberschaft in Frage. Doch ist ein KI-generierter Text nur die Interpretation der auktorialen Absicht von Prompts, Textbefehlen, und deren Interpretation ist entscheidend für die Kommunikation von Menschen und KI. Was bedeutet es, daß KI den Prompt interpretiert, anstatt unmittelbar darauf zu reagieren? Von Boris Groys noch selbst verfaßt: Vom Schreiben zum Prompten – Zeitgeistmaschine KI
2024 ist das Jahr von Immanuel Kants 300. Geburtstag und seinem 220. Todestag. Alexander Kluge spricht mit dem Aufklärungshistoriker Steffen Martus über Das Zeitalter der Aufklärung als offene Baustelle, und sie erinnern in liebevoller Empathie an die zeitweilige geistige Diktatur des Königsberger Denkers über die philosophischen und literarischen Landschaften und Gruppierungen Deutschlands. Kant setzte mit seiner „unbarmherzig zermalmenden“ Kritik der reinen Vernunft ein mächtiges Abräumunternehmen gegenüber der damaligen Popularphilosophie in Szene. Doch die Knospen der Aufklärung erblühten auch in kleinerem Maßstab: geistige Freundschaften, Dichterbünde, Universitätsgründungen, neue Kommunikationsmittel machten sich geltend, Vorstellungen von der freien Liebeswahl griffen um sich, Musik, Glücksspiel und Gespräche nach Tisch bildeten ein fruchtbares Milieu für das deutsche Aufklärungsgeschehen. Der Dialog läßt das Nervengeflecht einer kulturellen Epoche erkennen: Der Kerker der Welt
HIMMEL UND ERDE
Der Pariser Schriftsteller René Belletto macht sich für Jahre auf die Spuren eines Genies. Ihn fasziniert der Mensch und Komponist Johann Sebastian Bach, sein Werk, sein Genius, sein Lebensschicksal. Früh Waise geworden, in Armut aufwachsend und vom älteren Bruder aufgezogen, wird er von einem unscheinbaren Allerweltsmenschen zu einem grandiosen Schöpfer der Musik, zum Entdecker, zum Vorbild, zu einem Stern am Himmel der Musik: Bach imitierte die Götter und erschuf die Welt auf seine Weise neu: die Kunst seiner Noten rührt an die Elementargesetze der Schriftkunst und Zahlenmystik. Seine Kompositionen sind den Zeitgenossen voller Geheimnisse, und sie sind es noch heute. Über lange Zeiten so gut wie unbekannt, wird er zuletzt kaum einen Musiker unbeeinflußt lassen, nachdem Felix Mendelssohn den Tonsetzer und sein Werk dem Vergessen entrissen hatte. Belletto schildert Bachs Bedeutung für Mozart, Debussy, Mendelssohn oder Stravinsky, für Gitarre, Flamenco, sogar den Cante Jondo: Das Porträt eines Begnadeten und Getriebenen, der die Musik und den Kosmos neu erfindet und dabei sich selbst erzeugt. Wer die Musik und die Welt neu erfindet, muß einsam sein. Es ging um alles oder nichts, Einsamkeit, Elend, Vergessen inbegriffen: Johann Sebastian Bach.
KARTE UND GEBIET
Wie haben sich unserer Vorfahren die Welt vorgestellt, wie haben sie sich ein Bild von der Erde gemacht, konnten sie doch zu Lebzeiten nur einen verschwindenden Teil der 510 Millionen Quadratmeter Erdoberfläche wahrnehmen. Piloten auf Interkontinentalrunden bekommen vielleicht ein Hundertstel davon zu sehen; nur Astronauten, Kosmonauten und Taikonauten zeigt sich das Ganze. Und auf einer rotierenden Kugel zu stehen, die mit 100.000 Stundenkilometern auf einer elliptischen Bahn um die Sonne rast, überfordert die menschliche Vorstellungskraft. Geographen, Seefahrer, Mathematiker, Künstler, Raumfahrer trugen bei zur Vorstellung, irgendwann einmal eine weltumspannende Karte zu zeichnen, die alles enthielte. Rolf Schönlau verfolgt den Weg von kartographischen Repräsentationssystemen zum virtuellen Globus. Dieser entwickelt sich durch ständige Anreichung mit Street View, Google Ocean, Google Sky, Flugsimulator, Sonnenstands-, Niederschlags- und Zeitreisefunktion, historischen Karten, Reiseführern usw. zu einer Art Weltmarktplatz. Könnte Google Earth sogar zur Weltverbesserung dienen? Doch so gut die Karten sind, wir leben doch zuletzt im Anderswo. Rolf Schönlau, Weltwahrnehmung
Patrick Boucheron ist Mittelalterforscher am Pariser Collège de France, und seine besondere Liebe gilt der Geschichte der stolzen Stadt Mailand. In seiner autobiographisch akzentuierten Reportage Die Säulen von San Lorenzo träumt er sich zurück in die Stadt des Heiligen Ambrosius, zeitweilig Hauptstadt des weströmischen Reiches, um eigene Erinnerungen wachzurufen, alte Empfindungen neu zu beleben, Gänge früherer Jahrzehnte wieder zu begehen, um sich dem Vergessen zu widersetzen, um sich hineinzuträumen in eine wiedergefundene Vergangenheit und jene Intensitäten zu genießen, die einen durchpulsen, wenn man etwas verloren Geglaubtes endlich wiederfindet. Tausend Jahre Mailand und mehr eröffnen sich ihm. Ein Abenteuer im Theater der Erinnerung, eine leidenschaftliche Recherche, Begegnungen mit Helden, Denkern und Legenden, ein Durchdringen opaker Zeitschichten, die imaginäre Archäologie einer Stadt, spannend wie eine Detektivgeschichte.
Der dänische Reporter Peder Frederik Jensen ist mit Natur und Kultur Westafrikas über lange Jahre vertraut. Ihn beschäftigen die ökologischen Bedrängnisse: Erderwärmung, Klimawandel, Überfischung, die Gefährdung traditioneller Fischerei durch Erdgas- und Erdölförderung, Kahlschlag der Wälder durch Holzexport. Kameruns Rohstoffe und Natur der Schätze sind längst in die Maschinerie des Welthandels geraten. Von allen Seiten rücken Exploiteure und ihre Maschinen vor, auf die auf immer kleineren Territorien lebenden Dschungelbewohner in ihren Stammeszusammenhängen. Jensen bringt die einfach Waldbewohner zum Sprechen. Und sie lassen uns an ihren Erfahrungen teilhaben. Man vermeint, den Lehmboden ihrer Hütten unter den eigenen Füßen zu verspüren, man wird zum Vertrauten der porträtierten Menschen, und entwickelt Hochachtung vor Kameruns Geistervolk. Begleitet hat ihn der gerade zum Dänischen Pressephotographen des Jahres 2023 gekürte Anders Rye Skjoldjensen.
„Wunder des Nordens.“ „Eis und Finsternis.“ „Himmel und Hölle.“ All das ist Island, und vieles mehr. Andreas Wang nimmt uns mit in Islands gleißendes Licht. „In Island gibt es ja nichts zu sehen bis auf Berge, Wasserfälle, Wiesenhöcker und dieses Licht, das durch dich hindurchgehen und dich zum Dichter machen kann. (...) Je weiter wir in diesen abgelegenen Norden gelangen, desto unausweichlicher begegnen wir der Wahrheit oder: den Wahrheiten. Der Wahrheit der Natur, der Wahrheit der Stille, des Unwetters, der Wahrheit des Ich. Abgestorben ist die Landschaft hier, starr und eiseskalt. Und doch ein wilder Raum von Anziehung und Inspiration. So war es schon immer, damals, als erste Siedler kamen, später, als Fischer und Arbeiter sich hier ihr Brot verdienten, und heute in Gestalt einfallender Wanderer oder einsamer Künstler.“ Eine Wanderung durch Kristallsplitter und vulkanische Landschaften, durch Mythologisches und Dämonisches, durch die grandiose isländische Literatur und Poesie: Eine Liebeserklärung: Island. Ragnar Axelssons Bilderfolge unter dem Titel Force of Nature begleitet die Island-Reportage: Seit Jahrzehnten dokumentiert der Photograph die Lebensrealität im hohen Norden, die dramatischen Veränderungen der Meereis- und Gletscherschmelze und ihre Auswirkungen auf die Jagdgemeinschaften der Inuit, die gezwungen werden, ihre traditionellen Lebensweisen aufzugeben. Seine Arbeit macht zukünftigen Generationen die gravierenden durch den Klimawandel bedingten Umbrüche bewußt.
STOFFE, SKRIPTE, SZENEN
Der im amerikanischen Exil lebende rumänische Schriftsteller Andrei Codrescu erinnert sich daran, daß er vor 60 Jahren zusammen mit Susan Sontag damit beauftragt war, einen Literaturpreis von etwa 60.000 USD zu verleihen. Die Preisvergabe war an die Bedingung gekoppelt, daß der Preisempfänger aus diesem Anlaß einen Vortrag zu halten habe. Man entschied sich für den bereits berühmten Milan Kundera, doch dieser beschied die Juroren, daß er das Preisgeld gerne akzeptiere, aber das Ritual der Preisverleihung verabscheue; Kundera war durch den Erfolg seiner Romane und die Verfilmung der Unerträglichen Leichtigkeit des Seins unabhängig, berühmt und wohlhabend geworden und lehnte es ab, sich den Versuchungen des Literaturbetriebs und seinen Versprechungen von Reichtum und Ruhm zu unterwerfen. Kundera stand für eine andere Zeit: den Stolz des Schriftstellers und Intellektuellen, der sich nicht vom Betrieb beherrschen läßt. Codrescu erinnert an eine vielleicht würdigere Zeit: Milan Kundera. Die Gnade, rechtzeitig zu sterben.
Rüdiger Görner kreiselt um Kafka. Dessen Figuren drehen sich in der Parabel „Der Kreisel“ zumeist um ihre eigene Achse, auf Kreiselart, nicht in gleichmäßigen konzentrischen Kreisen, vielmehr arabesk, inkonsistent, am Rande des Kippens ... K. dreht sich ungleichmäßig, unbeständig um K. An wirkliche Entwicklung, Weiterführung des Begonnenen, ist bei seinen Figuren nicht zu denken. Und das ist so, weil sie kein Warum kennen: Drehmoment des Denkens.
Im Toben des nationalistischen Furors, in den Zeiten der Zerfallskriege Jugoslawiens und des Bosnienkrieges von 1992 bis 1995, entzog sich Bora Ćosić seiner serbischen Heimat und deren Hauptstadt Belgrad, deren durchdringendes chauvinistisches Klima und deren selbst auf die literarischen Sphären abfärbende identitärer Stumpfsinn ihn zur Verzweiflung brachten. Der serbische Autor entschied sich für das Berliner Exil, verbrachte jedoch zumindest die Sommermonate des Jahres an der mediterranen kroatischen Adria. Nun, im Alter, muß er Abschied nehmen von seinem schwierig zu erreichenden Haus, und er betrachtet noch einmal dessen Inventar und die vielen Dinge, die ihn umgaben, ein Universum der Räume und Objekte, der Bilder und Symbole, und er denkt zurück an Freundschaften und Begegnungen, an Lebensgenüsse und steinige Pfade – Blicke zurück auf eine entschwundene, doch einstmals quecksilbrig vitale und funkelnde Welt: Reise durch unser Haus.
Trotzki war vor Stalin nach Frankreich geflohen und versuchte eine neue, die vierte Internationale aufzubauen gegen die diktatorische Erstickung der Weltrevolution durch Stalins Terror. Obwohl bedroht, gelang es ihm, ein Netzwerk von Gleichgesinnten um die Welt zu spinnen, und in Frankreich war der hochgebildete Intellektuelle eine schillernde Figur am Himmel der Berühmtheiten. Auch Stavisky war ein vor Stalin nach Frankreich geflohener Jude, der mit dem Kommunismus sympathisierte, doch seine Talente als Organisator, Schmeichler und Überredungskünstler stellte er lieber in den Dienst eigener Interessen. Stavisky war Geschäftemacher, Lebemann und Trickbetrüger, Chamäleon und Geheimagent. Er wollte schnell reich werden, mittels Blendwerk und Hochstapelei. Eine Art Gegenfigur zu Trotzki, wurde er nicht wie dieser in Mexiko von einem sowjetischen mit dem Eispickel erschlagen, sondern er fand einen bis heute unaufgeklärten Tod, Suizid oder Mord. Die Ambivalenz dieser Figur hat den spanischen Schriftsteller Jorge Semprún, der seine KZ-Erfahrungen in Buchenwald und eigene Verstrickungen in einen pervertierten Kommunismus zum Thema seiner Romane machte, dazu gereizt, ihr nachzuspüren: Mit Alain Resnais schrieb er das Drehbuch zu dessen Film Stavisky. Leben und Wirken dieses Abenteurers, Finanzjongleurs und Falschspielers bilden den Mittelpunkt des Films, dessen ungewöhnliche Machart Bernhard J. Dotzler rekonstruiert. Er führt uns nebenbei vor Augen, wie die Kunst der Hochstapelei mitten unter uns – Wirecard und Marsalek, Signa und Benko, Evergrande – heute ihre Wiederauferstehung erfährt.
Die Frau / Das Mädchen / Der Mann ... Raoul Schrott huldigt Objekten seiner poetischen Begierde in Triptychon: die frau in den gärten / beherbergt vielerlei fremde / sie flickt manchen das hemd / versteht aus minze limonade zu bereiten / aus zitronen feine marmelade / und trägt morgens immer wieder ein anderes kleid / das ihre locken hervorhebt / ihre augen / sie wohnt da wo ein mädchen einst / aus liebe und angst vor ihrer kongregation / von der klippe sprang / doch ist das meer auch ein anfang / für schwimmzüge hinaus / zu einer lichtung der see
BRIEFE & KOMMENTARE & KORRESPONDENZEN
Wer hat ihn ermordet? 1964 besuchte Dacia Maraini mit ihrem Lebensgefährten Alberto Moravia das brodelnde New York und wird hineingezogen in einen kakophonischen Strudel von Ereignissen, die im Amerika jener Zeit den Puls bestimmen. In Harlem trifft sie James Baldwin, begegnet den Pop Art-Stars Claes Oldenburg und Roy Lichtenstein, besucht Greenwich Village und das Schwarzen-Ghetto Harlem; trifft auf den fieberhaften Antikommunismus Senator McCarthys, begegnet chinesischen Immigranten in Chinatown, erlebt experimentelles Theater am Times Square, während im Fernsehen wird für einen militärischen Angriff auf Laos agitiert wird. Maraini zeichnet das Sittenbild eines vor Konflikten brodelnden Amerikas und einer sich ankündigenden Revolte der späten sechziger Jahre.
Stefan Wimmer nimmt Abschied vom Literaturbetrieb und erzählt in einer bitter-komischen Satire von schaurigen, entwürdigenden, entmutigenden Erfahrungen beim Versuch, als einst erfolgreicher, preisgekrönter Autor ein neues freches und freies Buch auf den Markt zu bringen. Lektoren bescheinigen ihm Qualitätsschwund, unangemessene Ironie, nur halbwegs launige Plots und fordern ihn auf, seine Texte umzuschreiben, durchweg starke, emanzipierte Frauenfiguren einzubauen, die den Helden zuletzt erlösen. Es häufen sich die Beschwerden, seine Protagonisten besäßen zu wenig Migrationshintergrund oder schwul-/lesbische Orientierung. Seine Bücher besäßen nicht genug Diversität und Gender-Ausgewogenheit. Erschöpft gibt der Autor auf: „Sie haben es geschafft, ich hänge meinen Job an den Nagel, ich löse die Band auf. Ich bin fertig mit diesen Leuten. Es sind Leute, die über schale Witze der U-Bahn-Werbung lachen, die Die Wanderhure knorke finden, und sich für alles mögliche interessieren, nur nicht fürs Bücher Lesen.“ Erfolgsautor im Literaturbetrieb.
Matthias Politycki verschlägt es ins ostafrikanische Dschibuti. Die Küstenstadt Obock ist ein verschlafener Ort an der Küste voller Bootswracks, aufgegebener Behausungen und Ziegen im Müll, ein trostloser Ort aus Staub und Hitze und doch eine wimmelnde Drehscheibe von Flucht und Neubeginn. Ein Sehnsuchtsziel und Umschlagsort von Migranten und Flüchtlingen aus Nord und Süd und dem auf der arabischen Halbinsel liegenden Jemen jenseits des Roten Meeres. Die Ruinen von Arthur Rimbauds Wohnhaus sind hier noch zu sehen. Hier endete eine der drei großen Migrationsrouten Afrikas, manche wollen zur arabischen Halbinsel, andere kommen von daher; kurz vor der Stadt gibt es zwei Lager, zwei Welten, mit Menschen, deren Lebenswege, Entbehrungen, Hoffnungen verschiedener nicht sein könnten: Es ist, als führe die Reise nach Dschibuti in die Dunkelkammer der europäischen Zukunft, die von der afrikanischen kaum mehr zu lösen ist: Frühstück in Dschibuti
Johannes Balve reist nach Bali. Die Paradiessucher des frühen letzten Jahrhunderts, die nach monatelanger Überfahrt dort anlandeten, zog es ins Innere der Insel, zu einer damals wenig berührten Natur mit Dschungel, Wasserfällen und Vulkanen. Heute begegnet man vornehmlich jungen Leuten – Russen, Australier, Deutsche, Amerikaner, Inder –, Zivilisationsmüden aus dem Westen, Aussteiger, gierig nach dem Exotischen, selten interessiert an Spuren einer alten Tradition. Hochkonjunktur haben Yoga-Zentren, die ästhetische, exotische, esoterische, kulinarische und gesundheitliche Bedürfnisse abdecken. Aussteiger auf Zeit oder Digital-Nomaden prägen diese Jugendkultur zwischen Smartphone und dem Glauben an Übersinnliches. Die Hybridversion des heutigen Aussteigertypus läßt sich nicht nur die Seele, sondern auch den Körper massieren, die Wäsche waschen, den Koffer tragen, herumfahren und den Gaumen verwöhnen. Man ist höflich zu Einheimischen, doch verbleiben die Balinesen in einer Bedienstetenkultur. Geldflüsse verbinden die kulturellen Parallelwelten symbiotisch. Angetrieben wird die Geldmaschine durch das Amalgam hedonistischer, gesundheitsbewußter und esoterischer Lebensgefühle junger Ausländer. In ihrer Unzufriedenheit suchen sie irgendwo auf der Welt Paradiese und entzaubern doch unwillentlich deren letzte lebenswerte Vorkommnisse.
Carl von Siemens entdeckt in der südafrikanischen Stadt Johannisburg, in einer Gegend, die aufgrund ihres Reichtums an Fossilien als Wiege der Menschheit bezeichnet wird, ein System aus Sandsteinhöhlen, und in einem dort befindlichen 12 Meter in die Tiefe gehenden Schacht findet man in einer Dinaledi-Kammer 1500 Knochenteile, die man zu fünf Skeletten zusammensetzen konnte. Sie gehörten zu einer ausgestorbenen Spezies von Menschenaffen, die nirgendwo sonst gefunden wurden. Man taufte diese Spezies Homo naledi — Sternenmensch — sie lebten 250.000 Jahre vor unserer Zeit und waren: Grenzgänger in der Sternenhöhle
Architekt Holger Kleine insistiert: Bauen ist Verschönern, aber die Deutschen sind keine Augenmenschen und unterhalten eine schwierige ästhetische Beziehung zum Kunstschönen, zur architektonischen Qualität. Unzählige herausragende Werke der Baukunst im öffentlichen Raum wurden durch mißratene architektonische Kontexte verunstaltet. Für die Zeitgenossen herrscht zwischen ökologischer und ästhetischer Wirkung zumeist ein Abgrund. Wie geht man z. B. um mit den Ruinen des Kohlezeitalters? Sollte man aufgegebene Kraftwerkgiganten zerstören, umrüsten, musealisieren, renaturieren oder durch Umbau in ein vertikales Dorf urbanisieren? Kleine plädiert dafür, bereits gebaute Architektur in der Natur atmen zu lassen: Zack-Bumm!
„Die Sprache Europas ist die Übersetzung“, dieser berühmte Satz stammt aus der Feder des italienischen Schriftstellers Umberto Eco. Er bezeichnet eine Praxis, die in Europa lange Zeit neben einer gelebten Mehrsprachigkeit üblich war und die immer seltener wird. Das globale Englisch (das Globisch) schiebt sich als Verkehrssprache zwischen die Vielzahl der Sprachen. In wichtigen Bereichen wie Politik, Ökonomie, Kultur, Wissenschaften, Tourismus usw. avanciert es zur Lingua franca, die allerdings nicht mit den verschiedenen, weltweit existierenden Varianten von Englisch zu verwechseln ist. Es ist eine rein funktionale Sprache ohne Werke und ohne Autoren. Unter ihrem Einfluß bildet sich in Europa nunmehr eine Zweisprachigkeit aus, bestehend aus der jeweiligen Landessprache und dem Globisch. Doch sollte man angesichts des Erfolgs dieses pragmatischen globalen Englischs fragen, ob es die Menschen verbindet oder eher trennt. Das Globisch gerinnt zur Fremdsprache schlechthin. Der pragmatische Ansatz der einen Universalsprache überdeckt, was zu einer geistlosen Eindimensionalität des Denkens führen kann. Der Literaturwissenschaftler Marco Baschera plädiert flammend für die Mehrsprachigkeit.
Der italienische Schriftsteller Fabio Stassi ruft die literarischen Traditionen der Schweizer Weltstadt Zürich ins Gedächtnis. Die Limmat und ihre Zentrifugalkraft ist der Schlüssel, mit dem sich Zürich deuten läßt. Kratzt man etwas am Verputz des ewig Anonymen dieser Stadt, bleibt unterspurig etwas von dem hier durchfließenden Leben zurück, Erinnerungen an die Gefühle und die Umsiedelungen, an die Epochen der Vorbeiziehenden, der Überläufer und Gestrandeten. Eine unüberschaubare Zahl Unkonventioneller hat sich hierher gewagt. An diesen Ufern erging sich für Jahre James Joyce, man konnte nachts im Nebel die Schatten von Leonardo Sciascia und Friedrich Dürrenmatt erblicken. Menschen wie Johanna Spyri, Robert Walser, Albert Einstein, Dino Campana, Antonio Ligabue oder Tristan Tzara, Thomas und Klaus Mann, Max Frisch, Fritz Zorn, Elias Canetti oder Ignazio Silone waren hier im Exil und fanden Zuflucht, einige schlugen sich durch als Zeitungsverkäufer, Handlanger, Kellner, Schausteller, als Büroschreibkraft, Italienischlehrer, Handelskorrespondent oder Übersetzer. Die Würdigung einer Stadt der Exilierten: Zürich, längs der Limmat
Herbert Maurer denkt in seiner Korrespondenz aus Wien zurück an die letzten drei Tage der Schriftstellerin Dora Zeemann. Salondamen drängen sich gern aus dem Hintergrund mitten ins Bild. Sie glänzen mit ihrer blechernen und scheppernden Eleganz – von einem Event zum nächsten. Manche konnten so in den Fünfzigern und Sechzigern auch geschmeidig sein und reich und duften penetrant – bis heute – in einem Wien der toten und halbtoten Künstler ... Dora Zeemann zählte nicht zu dieser Kategorie. Sie gab sich zu mädchenhaft und ritterlich, zu proletarisch. Vielleicht war es das, was Egon Friedell so an ihr mochte. „Goethes Frauen“ war beider gemeinsames Thema. Friedell war wichtig, sie selbst wohl nicht so sehr – oder doch? Geschmeidig und umtriebig war sie, zwischen Männern und Frauen, Krieg und Frieden. Mit „dem Doderer“ machte sie eine unfreiwillige zweite Karriere, nicht als Venus im Pelz, sondern als Venus ohne Pelz, in einem charmanten Abseits, in einem bunten und frechen Jenseits, dem Jenseits aller üblichen Salondamen, die in den Literaturgesellschaften damals noch gerne viel zuviel zu sagen hatten. Ihre späteren Erzählungen kamen und gingen so dahin, bis mit Jungfrau und Reptil, dem Outing der Anti-Dame, der Verruchten im Hinterzimmer der Salonliteratur, ein zarter Hauch von Skandal über den Bridgerunden oder den Döblinger Heurigentischen der Arrivierten schwebte. Roch es da schon zart nach Feminismus? Nachtrag zum Leben einer schreibenden Frau in Wien: Aller guten Dinge sind drei
KUNST
Der Künstler Mathias Deutsch entführt uns in imaginäre Landschaften. „Im Sommer 2020 begann ich eine Reihe großformatiger Bilder, die mich nach Stunden der Arbeit oft erkältet und ratlos zurückließen. Noch während des Malens begann ich, die Restfarbe aus den Pinseln auf Papierbögen abzustreichen, um so die spätere Reinigung der Werkzeuge zu erleichtern. Es häuften sich so Dutzende dieser Blätter an, angefüllt mit Wirbeln, Nebeln und Schleifspuren aus Farbe. Immer öfter beschäftigte ich mich mit dem „Weiterspinnen“ dieser Abstreichblätter. Da tauchten sie allmählich auf: die Landschaftsfragmente, Flut und Ebbe meiner Kindheit, Terra incognita unter fetter Erde und spröden Peripherien verborgen, in Pfützen gestrandete Planeten, der Abrieb von Meisen und Menschen, die Wege und Gräben, die durch mich hindurch angelegt wurden. Ich ruhte bei den Papierbögen, auf der Muschelbank, bis das Meer zurückkam und ich zum Morgen einschlief. Das Land der Riesen lag verödet und ich zog mit den Zwergen weiter.“
Wir wünschen Ihnen bezaubernde Frühlingstage sowie anregende und spannende Lektüre!
Bleiben Sie uns gewogen!
Mit den besten Grüßen,
Lettre International