LI 65, Sommer 2004
Der neue Krieg der Götter
Der Kampf der Monotheismen als höchstes Stadium der GlobalisierungElementardaten
Genre: Textmontage
Übersetzung: Aus dem Französischen von Ulrich Kunzmann
Textauszug
Der Fall der Berliner Mauer bezeichnet nicht das Ende der Geschichte, sondern den Tod der politischen Ideologien. Diese Erschütterung verherrlicht den Triumph des Kapitalismus. Er brüllt wie ein Löwe am Sambesi und reißt sich los. Und der Wanst frohlockt. Aber was kommt nach der politischen Gehirnzermantschmaschine? Der religiöse Glaube, weiß Gott. Eilfertig füllt er die maßlose Leere aus und präsentiert sich als Retter. Er verkündigt die schreckenerregende Auferstehung der monotheistischen Götter. In der finsteren Nacht schneiden Allah, Jahwe und Gottvater einander die Gurgel durch. Warum? Weil jeder Gott danach trachtet, zum einzig einzigen Gott zu werden, indem er sich des Glaubensmarktes bemächtigt. Das höchste Stadium der Globalisierung.
So tritt denn der kalte Gott des Kalten Krieges von der Bühne ab und überläßt sie den lebendigen Göttern der heißen Kriege. Der superterroristische Krieg der Menschen erscheint als Rückwirkung des Krieges der Monotheismen. Dieses unheilvolle Wiedererwachen der Gottheiten haben die Philosophen des Weihwasserbeckens vorbereitet. Ihrer Ansicht nach muß alles Opfer sein. Opfer für die Arbeit, die Familie, die Kinder, die kleinen Vögelein und so weiter. Makabre Scherze!
Diese Vertrauten der Götter schwenken ihre Weihrauchfässer und verspritzen Weihwasser. Nun leiten sie die Herden über die verschlafenen Straßen, indem sie die große Glocke des Glaubens läuten. Kling, kling! Neuer Krieg, neue Askese, neues Kreuz.
Wie kann man dem bestialischen Mord und Totschlag der Götter entfliehen? Wie dieser erstickenden, von den Philosophen des Weihwasserbeckens bewachten Hölle des Glaubens entrinnen? Wie das schöpferische, widerborstige und liebevolle Denken wiederfinden, jene „leuchtende Kaskade“, von der Tristan Tzara spricht?
Der einzig mögliche Ausweg: die Pataphysik. Daß man Schreiße sagt zu den Göttern, zum Haha überwechselt, ein Wesen von Nirgendwo wird ...
(...)
KALTES BÜFETT
Die Kriegsmaschine produziert Gebete, und die Gebetsmaschine erzeugt Kriege. Zwei schwungvolle Maschinen, die miteinander verkoppelt und verbunden sind. Totenfelder und Gebetslieder. Warum dieser wahnsinnige Hang zu Krieg und Gebet?
Weil Gott auferstanden ist. Er war tot, er war kalt, und der Krieg war kalt. Ein falscher Krieg, ein Pseudokrieg ohne Leichen, mit weichem Breschnew-Hut. Der kalte Gott beginnt niemals einen Krieg, er erklärt ihn nie. Er ist der sterbende-Gott, der amorphe-Gott, der abschreckende-Gott einer unwirklichen atomaren Bedrohung in einer bipolaren Welt. Vereisung, Kristallisierung der Welt.
Nach dem Mauerfall, nach dem Einsturz der Twin Towers ist er nun auferstanden, bricht er aus einem Haufen rauchender Trümmer und zerfetzter Leichen hervor. Er ist heiß, er brodelt, und der Krieg brennt. Er entflammt überall, verbreitet Massaker und Superterrorismus. Er besudelt die Welt mit Blut, er, der Gott allen Zorns, der Vulkan-Gott aller Gemetzel.
WIEDERGEBURT
Die Auferstehung Gottes hat die Wiedergeburt des Krieges und die hysterische Schwärmerei für das Gebet veranlasst. Was ermöglicht die Bindung zwischen Krieg und Gebet? Wer ist der Dritte, der den Bund besiegelt? Nun, eben Gott. Aber welcher Gott? Der Gott der Liebe. Heute ist jedes Gebet ein Liebesgebet und jeder Krieg ein Liebeskrieg.
FLOHMARKT
Nicht wirklich ein „Zusammenstoß der Kulturen“, diese Cremetorte der neuen Denker, vielmehr der schreckenerregende Krieg der Götter. Die monotheistischen Götter waren bisher paradoxe, periphere Götter, die alle ihre eigene Einflußsphäre hatten. Die friedliche Koexistenz der kalten Realitäten. Der ruhige Apollinismus der nuklearen Abschreckung, wobei man der Apokalypse geschickt ausweicht: „Wenn der eine oder der andere gewinnt, so bedeutet dies das Ende beider“, schreibt Hannah Arendt.
Heute erschallen die Posaunen von Jericho, und die Türme fallen. Die Globalisierung triumphiert, der Krieg der Götter schließt sich dem Reigen an und globalisiert sich ebenfalls. Jahwe, Gottvater und Allah erheben sich mit gesträubten Haaren aus ihrem dogmatischen Schlaf, aus ihren Indianerreservaten, belauern einander eifersüchtig und haßerfüllt, töten sich gegenseitig im Namen der allumfassenden Liebe, um sich des Glaubensmarktes zu bemächtigen. Sie wollen von den einzigen Göttern zum einzig einzigen Gott kommen. Ein blutiges Trio in Trance wie heruntergekommene Wodus. Teppichhändler, die den verblüfften Völkern ihre geistliche Ramschware anpreisen. Nicht der Krieg belebt das Religiöse neu. Das Gegenteil ist der Fall. Die monotheistischen Götter rufen die Menschen zum Krieg und feuern sie an.
Ein homerischer, ein Titanenkampf, der sich mit allgemeinen Metzeleien vollzieht. Der brutale Ausbruch der Götter kündigt das fortwährende Massaker der Menschen an. Die hemmungslose Tyrannei der zornigen und mörderischen Gottheiten. Wahnsinn, dionysische Trunkenheit der manipulierenden und kalkulierenden Mächte. Die Heraufkunft der Zeiten schlimmster Barbarei.
TEMPERATUR
Die theologische Frage: eine Frage der Temperatur. Der monotheistische Gott ist nicht schön oder häßlich, hart oder weich, gut oder böse. Er ist heiß oder kalt. Der polare Gott des Kalten Krieges schlummert in einer bipolaren Welt. Der glühend heiße Gott der heißen Kriege rülpst und spuckt Feuer in einer globalen Welt, und die Konflikte breiten sich über die ganze Erde aus.
Die Götter wurden heiß geboren. Warum? Weil die Menschen zuerst in den heißen Landstrichen erscheinen. Als die Völkerschaften in gemäßigte Gegenden ausschwärmen und das religiöse Empfinden zurückgeht, erkalten die Götter. Da nun der Glaube den Zenit erreicht, werden sie wieder brennend heiß. Und wenn sie brennen, brennt mit ihnen die Welt. Die Gesellschaft steht in Flammen. Alles verglüht. Die göttlichen Hundstage lassen die Menschen fiebern. Sie dürsten nach Krieg.
Alles trägt zur Hitze der Götter bei, selbst die Erwärmung der Erde.
AUSGEBURTEN
Der Erste Weltkrieg hat Kommunismus und Faschismus hervorgebracht.
Der Zweite Weltkrieg hat zum Kalten Krieg geführt.
Das Ende des Kalten Krieges hat den heutigen Krieg der Monotheismen bewirkt. Im Verlauf der Geschichte haben sich die Götter schon früher bei der Gurgel gepackt: Kampf zwischen Christen und Mohammedanern in Spanien (711–1492), Kreuzzüge im Heiligen Land (1095–1291).
Die radikale Neuheit besteht heute darin, daß sich nicht zwei Götter abmurksen, sondern drei, nach dem Ebenbild des tragischen ödipalen Dreiecks der Freudschen Theorie: Jahwe, Allah und Gottvater. Der Kampf ihrer Völkerschaften bildet die Bewegung, ja das Wesen der Welt.
Ständig kehren sich die Bündnisse um, hängt man sein Mäntelchen nach jedem Wind, folgt Verrat auf Verrat. Ein wahres Schlachtfeld, auf dem sich die Götter anscheißen.
ZUSAMMENSTOSS
Die Vorstellung vom „Zusammenstoß der Kulturen“ ist nichts weiter als ein Rauchschleier für Chorknaben. Sie soll den Krieg der Götter verbergen. Diesem Krieg gegenüber blind sein heißt, daß man nichts von der postmodernen Realität versteht.
Wenn man sich darauf festlegt, lediglich diesen Zusammenstoß anzuerkennen, sieht man nicht, daß der Glaube an die Stelle der Politik getreten ist. Und daß der Krieg der Menschen nur das Blendwerk des Kriegs der Monotheismen ist.
Wenn man dem „Zusammenstoß der Kulturen“ vorrangige Bedeutung beimißt, will man die Götter reinwaschen, ihre Schändlichkeit tarnen. Das ist der letzte Kunstgriff, um sie zu bewahren, zu schützen, ihre Macht und ihre Versklavung der Individuen aufrechtzuerhalten. Es bedeutet, die Menschen zu beschuldigen, sie für das ganze Grauen der Welt verantwortlich zu machen, während sie nur die Sühnopfer dreier schändlicher Götter sind.
Die Vorstellung von einem „Zusammenstoß der Kulturen“ zu akzeptieren, das heißt, sich insgeheim für einen Gott und gegen einen anderen zu entscheiden und auf ihr Spiel einzugehen, während sich die Menschheit nur retten kann, wenn sie sich diesem blutigen Reigen verweigert.
Die einzige Lösung für die Menschen: nicht gegeneinander Krieg zu führen, sondern gegen die mörderische Dreierbande zu kämpfen.
(...)
EINE GEMEINSAME FAMILIE
Die drei monotheistischen Götter haben alle Voraussetzungen, um einander zu verstehen, und auch, um einander zu hassen. Sie haben denselben Ursprung, dieselben Wurzeln, dieselbe Familie. Sie wiederkäuen dieselben Worte, berufen sich oft auf dieselben heiligen Texte. Und sie führen nur die Liebe im Munde. Ihre Charaktere sind einander nahe: giftig, rachsüchtig, unversöhnlich, hochmütig, größenwahnsinnig, konformistisch, halten sie sich für den Nabel der Welt. Sie wollen allen gefallen und jene vernichten, die sie verabscheuen. Und ihre Wahnvorstellungen, Mythen und Legenden sind von derselben Art. Doch gerade weil sie einander so nahe sind, hegen sie unendlichen Haß gegeneinander. So viele gemeinsame Punkte sind ihnen unerträglich. Jeder hat das Gefühl, daß ihn der andere plagiiert und ihm seine Identität raubt. Jeder will der einzige sein und steht zwei Klonen gegenüber, zwei Clowns, deren Nachahmung er als Herausforderung und Sakrileg empfindet. Das ist zuviel für so stolze, so verletzliche Wesen, die sich ihrer Überlegenheit so sicher sind. Daher nimmt ihre innere Gewaltbereitschaft zu und überwältigt sie. Nun sind sie überzeugt, daß ihr Überleben vom Tod der anderen abhängt.
FAMILIEN, ICH HASSE EUCH!
Die jüdische Religion ist die Religion des Vaters, die christliche die des Sohnes und die mohammedanische die des leiblichen Vetters. Das ist also diese blutschänderische Familie, in der sich Jahwe, Allah und Gottvater ankotzen, jeder den anderen als Ketzer, Ungläubigen oder Apostaten beschimpft, jeder den Tod des anderen wünscht. Verfluchte Familie. Familien, ich hasse euch!
Wie kann man diese mafiöse Sippschaft loswerden, deren Paten sich gegenseitig die Gurgel durchschneiden, um das Monopol des Glaubensmarktes zu erringen? Indem man zuläßt, daß sie sich massakrieren? Aber stürzt ein solches Massaker nicht die Welt ins Chaos? Sonst bleibt nur noch übrig, das göttliche Kartell zu verjagen und das Netzwerk des Glaubens lahmzulegen, diese harte Droge, die immer wieder die Menschen in den Tod reißt. Denn die Menschheit braucht ganz gewiß keinen Glauben, sondern die Schöpfung. Glaube ist Passivität, Vergiftung des Seins, Unterwerfung, Knechtschaft. Die Schöpfung hingegen ist Handeln, Aufruhr, Rebellion, Durchbruch des Lebens. Im Glauben ist alles nur Nachahmung und Neurose, während uns allein die Erfindung, Neuheit und Originalität aus der Hölle dieser finsteren Nacht herausschleusen können.
SPEKTAKEL
Der Kalte Krieg entwickelte sich in Ost-West-Richtung, der heiße Krieg globalisiert sich in alle Richtungen. Der postmoderne Krieg ist kein Bruchpunkt mehr, wie Clausewitz den Krieg verstanden hat, sondern strebt danach, zum Naturzustand zu werden. Ständig gegenwärtig, latent, zum Ausbruch bereit. Er wartet nicht auf seine Stunde, er ist die Stunde selbst. Und wenn die Gesellschaft ein Spektakel ist, so ist der Krieg das allergrößte Spektakel. Bildserien wie die des Sappeurs Camember oder von CNN. Die Welt des Farbdrucks, in der alles protzig und pompös ist. Gemälde des Kriegssonntags. Kitsch bis in die Zehenspitzen, mit seinem Flammenhimmel, seinen Panzern in der Wüste, seinem Tinnef, seinem Plunder, seinen Kunstledergefühlen, seinen unechten Gedanken, seinem verallgemeinerten Glauben.
Der Krieg ist unsichtbar, weil er allgegenwärtig ist. Die Welt wird mit Krieg überzogen, und alle zwischenmenschlichen Verhältnisse sind kriegerisch. Der allgemeine Kriegszustand setzt die gesellschaftliche Arena in Brand.
Warum kommt es zu dieser Wandlung? Weil es den Krieg der Monotheismen gibt.
TÄUSCHUNG
Zwei Konzeptionen des Krieges stehen einander gegenüber. Die der Götter und die der Menschen. Die Götter denken wie Clausewitz. Nach ihrer Auffassung ist der Krieg „ein Akt der Gewalt, und es gibt in der Anwendung derselben keine Grenzen". Der große Kampf ist eine Vernichtungsschlacht. Das erstrebte Ziel muß die Apokalypse sein.
Der Krieg der Menschen kommt der chinesischen Theorie von Sun Tzu nahe. Sein Ideal ist es, einen Staat zu beseitigen, „ohne die Schwerter mit Blut zu beflecken". Und der vollkommene Sieg besteht in der wilden Flucht der feindlichen Armee, noch bevor der Kampf beginnt. Wenn Clausewitz ganz auf die Stärke der Waffen setzt, so setzt Sun Tzu ganz auf die Täuschung. Zuerst muß man den Geist des Feindes angreifen, ihn verwundbar machen. Der totale Krieg der Lüge und des Gerüchts ist weitaus wirkungsvoller als das Anhäufen von Waffen. Man muß die gegnerische Armee demoralisieren, sie dazu bringen, daß sie an sich selbst zweifelt, sie schwächen und dann zulassen, daß sie vom Gnadenstoß der Gewalt getroffen wird.
Dem Krieg nach der Art von Clausewitz steht der Krieg nach der Art Sun Tzus gegenüber, die göttliche Schlächterei wendet sich gegen die subtile Strategie der Menschen. Heute scheint es – leider! – so, daß die Konzeption der monotheistischen Götter, dieser großen Schlächter, mühelos triumphiert.
WAHNSINN
Sie sind verrückt geworden. Wer? Jahwe, Allah und Gottvater. Nicht die Menschen delirieren, sondern die monotheistischen Götter. Nun gieren sie nach Menschenblut, nur der Tod sättigt sie.
Nie zuvor in der Geschichte haben die Götter diesen Höhepunkt des Irrsinns erreicht. Der christliche, der jüdische und der mohammedanische Gott haben sich plötzlich einem ingrimmigen Haß hingegeben, um ihren Willen zur Macht zu befriedigen und den globalisierten Markt des religiösen Glaubens an sich zu reißen. Moses hat es ausgerufen: „Der Herr ist ein Superterrorist." Christus hat gewarnt: „Ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert."
Anscheinend kann nichts sie aufhalten. Sie schlagen aufeinander ein und ermuntern die Gläubigen, sich bis zum letzten Mohikaner zu massakrieren.
GÖTTLICHE GENEALOGIE
Woher kommen die Götter? Jean-Pierre Brisset hat die einzige treffende Antwort gegeben.
Das „Du bist hoch, Haus" offenbart uns, daß die Götter einen amphibischen Ursprung haben. Tatsächlich beginnt alles mit dem Schrei des Urfrosches. Desjenigen, der die entscheidende Frage stellt: „Quak, quak" – „Was, was?" Er planscht nicht im Meer, sondern in einem Tümpel: „Mir geht's gut, Wasser hab' ich", sagt er. Dann bekommt er den Tümpel satt und springt ans trockene Land, wobei er diese Worte ausstößt: „Mir geht's gut, außer Wasser hab' ich." Er ist Uhrmacher, wird ständig von der Zeit beherrscht, er ist ein Schüler Heideggers. So werden die Frösche zu Göttern. Nur sind die Götter empfindliche Wesen, sie schämen sich der Niedrigkeit ihres schlammigen Erbguts von Kaulquappen. Alles in ihnen ist Ressentiment und Haß. Die Religion ist dämonisch. „Die katholische Kirche ist aus dem Meer gestiegen", erklärt Brisset. Die Priester und Priesterinnen, Äbte und Äbtissinnen sind Dämonen: „Ihre Augen sind äußerst beweglich, und sie können beinahe sehen, selbst nach hinten." Diesen Ordensleuten „geht es schlecht, wenn sie sich dem Geschlecht ergeben".
Der Gott ist ein Teufel, und „der Teufel war der erste Vater, der die Menschen zeugte". Alles ist teuflisch. „Lange verspeiste er sie, und er führte Krieg mit ihnen." Der Gott rächt sich an den Menschen wegen der Schändlichkeit seines eigenen amphibischen Ursprungs, indem er sie zum totalen Krieg treibt. Vendetta der Frösche im Weihwasserbecken.
BESCHWÖRUNGEN
Immer diese Beschwörung Gottes nach dem Ebenbild des Hoheliedes.
Al-Qaida verkündet pünktlich vor jedem Attentat: „Wenn Gott will ..." George W. Bush betet, bevor er seine Truppen zum Angriff schickt: „Gott möge uns Weisheit geben und über die Vereinigten Staaten von Amerika wachen!"
Gott der große Schütze, der große Kriegsführer, der allergrößte Schlächter, der Clausewitz der postmodernen Zeiten.
MANIPULATIONEN
Der christliche, der jüdische und der mohammedanische Gott manipulieren die Menschen mit bestimmten Begriffen.
Allah beutet die Schicksalsidee fanatisch aus. Kismet: das Fatum. Gott hat alles im voraus geschrieben. Für den Fatalismus ist die ganze Zukunft unabwendbar ins große Buch des Schicksals eingetragen. Was wir auch tun, unsere Zukunft ist vorherbestimmt. Unmöglich, das Ergebnis zu ändern. Wie auch immer die Bedingungen sind, die Wirkung wird eintreten. Dies ist das Reich der absoluten Notwendigkeit. Nicht die geringste Freiheit.
Bei Jahwe beruht der Taschenspielertrick auf der Idee der Verantwortung. Das Individuum wurde auserwählt, um für die anderen verantwortlich zu sein. Unmöglich, sich dieser Verantwortung zu entziehen, ohne der Barbarei zu verfallen. Die Verantwortung geht nicht von irgendeiner Wahl aus. Sie wird von äußerstem Druck, einer ursprünglichen Geradlinigkeit bewirkt. Die Verantwortung ist ein absoluter Zwang. Keine Freiheit.
Der christliche Gott jongliert mit der Idee der Freiheit. Gott hat keine kleinen göttlichen Mechanismen, keine tugendhaften Automaten, sondern verantwortliche Wesen erschaffen. Wenn es Verantwortung gibt, gibt es Freiheit. Das Böse ist also eine Notwendigkeit, wenn der Mensch frei sein soll. Und diese Freiheit gibt dem Menschen die Wahl, sich für oder gegen Gott zu entscheiden. Doch wenn er sich gegen Gott entscheidet, ist er zur Hölle verdammt. Eine falsche Freiheit.
UNENDLICHER ABSTAND
Was trennt die polytheistischen Götter von den Menschen? Die Unsterblichkeit.
Zwischen den Göttern des griechischen Pantheons, den Halbgöttern und den Menschen gibt es ein enges Verhältnis. Sie kämpfen miteinander, heiraten und vermischen sich. In der Ilias helfen Apollon und Aphrodite den Trojanern, der Kriegsgott Ares wechselt mehrmals von einem Lager ins andere über, Athene, Hera und Poseidon unterstützen die Griechen. Geschichten von blutschänderischen Familien. Eine Offenbach-Operette.
Was unterscheidet Jahwe, Allah und Gottvater von den Menschen? Die Ewigkeit.
Zwischen den monotheistischen Göttern und den Menschen gibt es einen unendlichen Abstand. Die Götter sind den Menschen überlegen und viel zuweit von ihnen getrennt. Sie bestätigen sich selbst als Schöpfer und blicken selbstgefällig auf jene herab. Es gibt zwar Mittler, diese lassen sich aber kreuzigen. Dieser allzu große Abstand führt zu Unverständnis und radikaler Fremdheit. Darum bemühen sich die Menschen so hartnäckig, sich den Göttern zu unterwerfen, indem sie sich selbst opfern, um den unüberbrückbaren Abstand zu überwinden.
GEBISS
Jahwe, Allah und Gottvater sind übergeschnappte, vertrottelte und verbitterte Mafiosi. Haß und Bosheit sind die Schmuckstücke des Alters. Je älter man wird, desto rachgieriger ist man. Nun sind sie senil und schwachsinnig, tragen einen Morgenrock und Filzpantoffeln, während ihnen das Gebiß herunterhängt. Sie bewegen sich nicht mehr, und ihr Blick ist leer. Sie sind tot. Überhaupt nicht. Laßt euch nicht täuschen. Es braucht nur eine kleine Rache am Horizont aufzutauchen, damit sie sich wie neugeboren fühlen. Plötzlich sträuben sich ihnen die Haare. Welch fieberhafte Betriebsamkeit! Nun steigen sie zerlumpt aus ihren Gräbern und drehen sich wie Kreisel. Welch fieberhafte Blicke! Der Todesgeruch erfreut sie. Welcher Duft! Sie frohlocken, springen in die Luft, schwingen wie dicke Staubwedel hin und her. Diese Vogelscheuchen stampfen mit den Füßen. Sie verjüngen sich zusehends. Krieg, Blut, Leichen: Das ist ihr ganzes Leben. Endlich, endlich, seufzen sie, wie es scheint. Und wenn die Götter den Menschen etwas vorzuwerfen haben, so, daß sie den Krieg nicht genug lieben. Nicht den Krieg zu lieben bedeutet, daß man sie nicht liebt, halten sie ihnen vor.
KAMIKAZE
Jahwe, Allah und Gottvater beweisen großen Mut, denn sie zögern nicht, einander mit Hilfe von Menschen zu bekämpfen. Bewundern wir ihre Tapferkeit. Wer erweckt tatsächlich den Kampfesmut der Menschen? Die Götter. Wer inspiriert zu der blutigen Strategie der superterroristischen Attentate? Der der Götter. Wessen Finger weist auf die auszuführenden Schandtaten und Massaker? Die Götter, sage ich euch. Und was ist dann mit den Menschen? Stets sind sie erbärmlich feige. Sie rücken getarnt vor, verkleiden sich als Märtyrer, kostümieren sich als Kamikazes, Heckenschützen, Totschläger, Raketenwerfer.
Aber seid sicher, ohne den giftigen Hauch der Götter würden sie zu Hause bleiben, die Pantoffeln an den Füßen und die Schnüffelnase aufs Fernsehen gerichtet. Allein der Ruf Gottes ist unwiderstehlich. Sie müssen in den Krieg ziehen, Haß und Rache pflegen. Sie brauchen Blut und Tränen. Ohne den monotheistischen Krieg, ohne all diese Metzeleien wäre das Leben abgrundtief langweilig und so banal, daß einem die Augen tränen.
(...)