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Cover Lettre International 60, Ann Mandelbaum
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Inhaltsverzeichnis

LI 60, Frühjahr 2003

Ein Satz zur Weltlage

Liebe Leserinnen und Leser!

Die letzten Monate wurden politisch beherrscht von den sich zuspitzenden Entwicklungen um die Golfregion. Ein Krieg zur Entwaffnung des Irak, zur Beseitigung Saddam Husseins, aber auch ein Krieg gegen die Bevölkerung des alten Zweistromlandes scheint nahezu unabwendbar. Die USA und ihre Verbündeten zeigen sich - ob im Namen der Demokratie, im Namen der Menschenrechte, im Namen des Kampfes gegen den weltweiten Terrorismus oder zur Durchsetzung einer UNO-Resolution - fest entschlossen, militärische Gewalt anzuwenden im Kampf gegen "das Böse" . Doch kaum je zuvor wurde ein Krieg, der im Namen "des Guten" stellvertretend für die gesamte Menschheit geführt werden soll, vor seinem tatsächlichen Beginn stärker in Zweifel gezogen als dieser. Hinter der Rechtfertigungsrhetorik der kriegsbefürwortenden Machthaber verbergen sich, so vermuten viele, nicht Ideale, sondern Hegemonieabsichten, wirtschaftliche Interessen, geopolitische Strategien oder Doppelmoral. Weltweit ist eine wachsende Beklemmung zu verspüren, eine Vorahnung davon, daß der sich anbahnende Gewaltausbruch von schwerwiegender Bedeutung für die Zukunft der gesamten Welt sein könnte.

Die Redaktion von Lettre International hat eine Reihe von Persönlichkeiten eingeladen, kurzfristig in Form "eines einzigen pointierten Satzes" zu dem dramatischen Geschehen Stellung zu nehmen. Diese Satzkristalle - Äußerungen von Intellektuellen, Schriftstellern, Künstlern, Dichtern aus aller Welt - sollten sich lesen lassen als Momentaufnahmen zur Zeit, als dokumentarisches Fragment.

Zwischen dem 26. Februar und dem 3. März 2003 erreichten uns etwa einhundert Antworten. Diese werden hier in der deutschen Übersetzung und in den Originalsprachen veröffentlicht. Eine Auswahl finden Sie ab dem 18. März 2003 in der aktuellen Ausgabe von Lettre International.

Ihre Lettre-Redaktion

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In Afghanistan töten die Amerikaner die Taliban, weil diese al-Qaida schützen, die überall in der Welt Amerikaner tötet, welche überall in der Welt Nichtamerikaner töten, die sich gegenseitig umbringen, weil sie schwarz, weiß, braun, groß, klein, Palästinenser, Israeli, Bosnier, Serben, Muslime, Christen, Hindus, Juden, Atheisten sind oder weil sie Afghanen sind, die eigentlich Amerikaner sind, die verkleidete Afghanen sind, deren jeder jemand sein könnte, den wir kennen, aber tatsächlich nicht kennen, der sogar Tony Blair sein könnte, der um die Welt fliegt, um Babytyrannen die Windeln zu wechseln, und sich ständig fragt, ob er genug Deodorant eingepackt hat, gleichwohl froh, daß er das Chaos in Mazar-e-Sharif nicht beseitigen muß, wo die Amerikaner gerade Hunderte von Gefangenen zu Schutt und Asche zerbombt haben, die Rumsfeld tot sehen wollte und die ihnen den Gefallen taten zu revoltieren, so daß sie einige Tage, nachdem sie sich ergeben hatten, alle zerfetzt werden konnten, wobei vielleicht einige Teile in Pakistan auf Musharrafs sternenverzierter Uniform landeten, vorausgesetzt, daß er zu jener Zeit eine trug und nicht gerade in seinen anderen Ornat gekleidet war, als er sich anschickte, der Welt Pakistans Schuld vorzuführen wie eine Mutter, die ihr behindertes Kind vorführt, um Passanten dazu zu bewegen, einige Münzen in ihre verhungerten Hände fallen zu lassen, was manche natürlich auch tun, nicht so aber Putin, der genug eigenen Ärger damit hat, Tschetschenen umzubringen, die Russen umbringen, welche es überdrüssig waren, Afghanen umzubringen, als die Amerikaner sich entschieden hatten, den Afghanen zu helfen, Russen umzubringen, so daß sie sich selbst darauf konzentrieren konnten, den Saudis zu helfen, ihren Ölreichtum zu verprassen, indem sie sie mit Waffen und später mit einer Readymade-Armee ausstatteten, als der Irak günstigerweise nach Kuwait eindrang, wobei die Amerikaner die Gastfreundschaft in einem heiligen Land überbeanspruchten, weswegen jemand, den man Osama Bin Laden nennt, sagt, daß er sich dazu entschlossen habe, seinerseits ein bißchen zu töten, weshalb die Amerikaner nun die Taliban töten, von denen viele nun, so schnell sie können, zur Nordallianz überlaufen, damit sie zu einer Vereinten Front werden können, einer ganz eigenen Art von Vereinigten Staaten oder Vereinten Nationen, was einen mit der Frage allein läßt, ob jemand anderes als Moses jemals Licht in einem Busch erblickt hat.

Shabbir Banoobhai, Kapstadt, Südafrika

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Der Krieg der Worte verbirgt den Haß der Welten.

Khal Torabully, Mauritius, Frankreich

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Die UN-Resolution 1441 entwaffnet den Irak für eine glattere US-amerikanische Übernahme!

Ulay, Amsterdam

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Im Krieg wird getötet, wer keine Waffen hat: die Kinder, die Mütter, die Machtlosen; doch im bald beginnenden Krieg gegen den Irak schert sich die Regierung von George W. Bush nicht um das irakische Volk, sie will Öl. All das unschuldige Blut floß allein für Öl, all die Narben, die unnötigen Tränen, das verlorene Lächeln!

Chenjerai Hove, Simbabwe, im französischen Exil

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Brächte die Menschheit nur halb soviel Intelligenz, Phantasie und Energie für den Frieden auf wie für den Krieg, wäre es besser um die Welt bestellt.

Kenneth White, Frankreich

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Ächzend unter der amerikanischen Regierung, die auf Öl gebaut hat, die Brände legt im Untergang: Hochgerüstete Flugzeuge zielen auf ferne Meereswellen, Menschenrechte verebben, krachend brodelt und birst die gepanzerte Flut, Nachrichten morgen von einstürzenden Türmen, vielen Toten ... und glänzenden, bloßen Kinderzähnen.

Leonard Schwartz, New York

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Da der ganze Globus sich einerseits dem Angriff messianischer, öldurstiger Barbaren der Neuen Welt, andererseits dem Irrsinn ihrer alten, fundamentalistischen und apokalyptischen Komplizen ausgesetzt sieht, liegt unsere Verteidigung einzig im bürgerlichen Widerstand, im fortgesetzten, massiven zivilen wie intellektuellen Ungehorsam gegen diese inakzeptable Dichotomie und darin, solche alternativen Denkweisen aufzuzeigen und umzusetzen, die erneut die Würde des einzelnen menschlichen Lebens stärken und dem Verlangen nach gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Gerechtigkeit Ausdruck geben.

Breyten Breytenbach, Montagu, Südafrika

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Saddam Hussein fordert George W. Bush zum Fernsehstreitgespräch - das ist es, worum es in diesem Krieg geht: Forderung beziehungsweise Verweigerung von Symmetrie in der Beziehung zwischen den USA und den anderen (al-Qaida, Irak, Nord-Korea und denen, die da noch kommen werden ...).

Fritz B. Simon, Witten/Herdecke

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Es ist eine der schlimmsten Entscheidungen, die einem Staat, Politiker oder Staatsmann vorgelegt werden können. Aber die Verantwortung in dieser neuen Lage ist zu ernst. Man kann sich nicht mit billigem Pazifismus aus dem Problem herausziehen. Bush hat praktisch alles schlecht getan und noch schlimmer vermittelt. Aber jetzt muß leider gehandelt werden.

Hermann Tertsch, Madrid

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Jede Massenkultur ist bestrebt, ihre Leitidee expandierend, Hochkulturen zu zerstören - selbst deren Schatten und Ruinen.

Haralampi G. Oroschakoff, Berlin

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Wenn die USA nach Prinzipien der Demokratie handeln würden, fände dieser Krieg nicht statt.

Farideh Akashe-Böhme, Berlin

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Meinen Freunden in den USA folgend, bin ich entsetzt darüber, wie die gegenwärtige US-Regierung im Begriff ist, durch einen völkerrechtswidrigen pre-emptive strike ihrem Land die nächste Generation von Terroristen zu erzeugen.

Rudolf W. Müller, Hannover

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Auf der Galerie (nach Franz Kafka)

Wenn irgendein armes, aber gerecht regiertes Volk von einem erbarmungslosen Präsidenten eines waffenstarrenden anderen Landes vor einem unermüdlichen Weltpublikum monatelang ohne Unterbrechung im Kreise rundum getrieben würde und schließlich, längst schon wehrlos gemacht, von einer unwiderstehlichen Militärmaschine mit Krieg überzogen würde, und wenn dieses Spiel unter dem nicht aussetzenden Brausen der Propaganda in die immerfort weiter sich öffnende graue Zukunft sich fortsetzte, begleitet vom vergehenden und neu anschwellenden Beifallsklatschen der willigen Hände, die eigentlich Dampfhämmer sind - vielleicht eilte dann ein junger Galeriebesucher die lange Treppe durch alle Ränge des Welttheaters hinab, stürzte auf die Bühne, riefe das: Halt! durch das Dröhnen der Geschütze und des sich immer anpassenden Orchesters; da es aber nicht so ist; ein schrecklicher Diktator, wüst und gemein, sein armes Volk tyrannisiert und zwischen den Vorhängen, welche die Lakaien vor ihm öffnen, sein schändliches Regime vor aller Augen ausübt und der demokratische Präsident, gläubig und bester Absichten voll, hingebungsvoll die Augen jenes unterdrückten Volkes suchend, es aus den Fängen des bösen Diktators zu befreien sucht, als wäre dieses Volk seine über alles geliebte Enkelin, die sich in schrecklicher Gefangenschaft verzehrt; er sich nicht entschließen kann, das Kriegszeichen zu geben; schließlich in Selbstüberwindung es knallend gibt; neben seinen tapferen Soldaten einherläuft; die Flüge seiner Jets scharfen Blicks verfolgt; ihre Kunstfertigkeit kaum begreifen kann; mit englischen Ausrufen zu warnen versucht; die unterstützenden Vasallen zu peinlichster Achtsamkeit ermahnt; vor dem großen Salto mortale die orchestrierenden Medien mit aufgehobenen Händen beschwört, sie mögen schweigen; schließlich das darniederliegende, aber befreite Volk von der Erde emporhebt, auf beide Backen küßt und keine Huldigung der Weltgemeinschaft für genügend erachtet; während das Volk selbst, von ihm gestützt, vom Staub umweht, mit ausgebreiteten Armen sein Glück mit der ganzen Welt teilen will - da dies so ist, legt der Galeriebesucher das Gesicht auf die Brüstung, und im Schlußmarsch wie in einen schweren Traum versinkend, weint er, ohne es zu wissen.

Hartmut Böhme, Berlin

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Bedenkt man die menschlichen Kosten, hat in der gesamten Geschichte noch niemand gewonnen, der einen Krieg begonnen hat.

David Davidar, Neu-Delhi, Indien

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Wäre es nicht wunderbar, wenn die Führer der Welt ebenso zielstrebig versuchten, Armut und Aids zu überwinden, wie sie Saddam Hussein vertreiben wollen?

Achmat Dangor, New York

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Im hochherzigen Engagement für die Autonomie des Irak wie in der Sorge um die Zukunft der Demokratie in den Vereinigten Staaten von Amerika vollzieht sich der Sonnenuntergang des europäischen Orientalismus, der schon immer zugleich Antisemitismus war.

Hans Ulrich Gumbrecht, Stanford

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Jeder Politiker, der einen Krieg gegen den Irak gutheißt; der glaubt, Saddam Hussein mit seinem kümmerlichen Vorrat verrosteter Raketen stelle eine Bedrohung für den Weltfrieden dar; jeder, der sich auf die Seite von Stupidität und Habgier schlägt (die so ungeniert vom Regime Bush gepriesen wird); der jene terroristischen Gewalttaten ignoriert, die während der letzten 300 Jahre von den Vereinigten Staaten ausgeübt wurden - wer also die ganze Geschichte ignoriert, wird für die Historiker der Zukunft ein Narr, ein Feigling und ein Lügner sein (falls es denn noch eine Zukunft mit Historikern gibt).

Lewis Warsh, New York

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Ankündigung: Soldaten beider Parteien treffen sich heute abend zum Lyrik-Workshop vor den Toren Bagdads, wo Kugeln schmelzen, Flaggen sich kreuzen und Worte sich mit Macht reimen.

Bob Holman, New York

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Ich fordere alle wachsamen Wesen auf, sich mit den Massenvernichtungswaffen Wahrheit und Schönheit der ungeheuren Lügen und imperialistischen Pläne der Bush-Junta zu widersetzen.

Michael Palmer, San Francisco

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Friede ist Gemeinsamkeit, unsere Menschlichkeit, der heilige Ort.

Cecilia Vicuna, Chile

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Es geht nicht um die Frage, ob die Menschheit vor terroristischen Angriffen geschützt werden kann (kann sie nicht), sondern darum, ob sie sich vor den Angriffen der Arroganz schützen läßt.

Göran Rosenberg, Stockholm

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100 Milliarden für den Krieg gegen den Irak und seine Folgen? Wo doch die Kosten für den Wiederaufbau des World Trade Centers nur 330 Millionen Dollar betragen sollen? Wir drehen die Uhr zurück bis ins 12. Jahrhundert, doch diesmal wird es ein amerikanisches Kreuzfahrerreich im Nahen Osten sein.

James Reston, USA

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In meinen Wunschträumen sehen alle, was ich sehe, wollen alle, was ich will, denken alle, was ich denke, vermehren alle meinen bereits obszön großen Reichtum: Völker der weiten grünen Erde, küßt meinen beschissenen weißen Arsch bis ans Ende aller Zeiten.

Michael Brownstein, New York

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Krieg statt Frieden, das ist der widerliche Kuß des Todes.

David Unger, Guatemala, in den USA lebend

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Das Römische Reich endete, als seine politische Kaste zunehmend unklüger wurde: Nicht anders wird es dem amerikanischen Reich ergehen.

Nathaniel Tarn, Santa Fe

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Nur wenn wir verzeihen lernen, können wir die Gewalt aufhalten.

Marina Abramovic, Amsterdam

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Die Grenze ist grenzenlos.

Edwin Torres, New York

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Der Mensch der Zukunft und ich, die wir durch eine Straße in Bagdad schlendern, sind uns in einem Punkt einig: Wir verstehen nicht, warum sein Ururgroßvater im Namen des Friedens sterben mußte.

Lloyd Jones, Wellington, Neuseeland

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Dieser Krieg ist das Ergebnis der irrationalen Sehnsucht, Unterschiede kolonisieren zu wollen.

Gloria Guardia, Bogotá, Kolumbien

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Nichts rechtfertigt diesen unverantwortlichen Krieg gegen den Irak (eine todsichere Weltkatastrophe, die Südasien, den Nahen Osten und den ganzen Planeten destabilisieren wird), nicht einmal Saddam Husseins zweifellos diktatorische Politik - erst recht nicht die arrogante Cowboy-Politik des größten aller Tyrannen, der primitiven, selbstbegründeten, wiedererweckten, protokolonialen, brutalen Macht des wahren Schurkenstaates - der USA.

Rada Ivekovic, Indien

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Amerika braucht einen Gorbatschow.

Norman Ohler, Berlin

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Warum sollten die USA sich den Einsatz von nuklearen und chemischen Waffen erlauben dürfen, wenn er doch unrecht ist?

Merete Pryds Helle, Pietrasanta, Italien

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Krieg welcher Art, an welchem Ort auch immer, ist ein Spiegel, der uns ein Bild unseres zersplitterten Selbst aufzwingt.

Susan Kiguli, Uganda, in England lebend

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Krieg ist nicht nur ein moralisches Desaster einer angeblich zivilisierten Welt, er ist auch die verbrecherische Rechtfertigung der Mächtigen.

Milton Hatoum, Brasilien

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Da die Geschichte des letzten Jahrhunderts deutlich gemacht hat, wie notwendig es ist, für eine Demokratie der Nationen und nicht bloß für Demokratie in den jeweiligen Nationen zu sorgen, werden wahre Demokraten sich zu Recht den Bemühungen einer jeder Nation widersetzen, die mit dem Zuckerbrot ihres Reichtums und der Peitsche ihrer schrecklichen Waffen ein eigenes, arrogantes Imperium an eben jenem Ort schaffen will, an dem internationales Recht herrschen sollte.

William R. LaFleur, Pennsylvania

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Wollte ein amerikanischer Präsident eine von London, Madrid oder Rom bestimmte Außenpolitik gegen den erklärten Willen der überwältigenden Mehrheit des amerikanischen Volkes betreiben, würden wir ihn des Verrats bezichtigen, und er könnte von Glück sagen, wenn er mit dem Leben davonkäme.

Andrew Feenberg, San Diego

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Sie können irakische Kinder umbringen, Herr Bush, aber unsere Welt wird danach nicht besser sein.

Boubacar Boris Diop, Senegal

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In einem bald anlaufenden Disney-Film, einem Kinoknüller, balgt sich der König der Geier, unterstützt von seinem Kumpanen, einem ziemlich dämlichen Löwen, mit einer Meute zahnloser Hyänen um die Überreste und das Territorium eines dahinsiechenden Vogels, eines Raubwürgers.

Manu Herbstein, Accra, Ghana

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Wer gab diesem dummen Kerl die Macht, das gut geölte Höllentor zu öffnen?

Jim Harrison, USA

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Das Modem ist mächtiger als das Schwert.

Eliot Weinberger, New York

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Da die Vereinigten Staaten sich derart moralisch genötigt fühlen, den Irak entwaffnen zu müssen, sollten sie sich auch ihrer eigenen grausamen Waffen entledigen, damit ihr Vorgehen tatsächlich effektiv und sinnvoll wird.

Frank Ettenberg, Santa Fe

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Am 18. Februar begann auf einer Hundeausstellung in Bagdad der sechzehnjährige Besitzer des prämierten Tieres auf dem Siegerpodest zu weinen, und als ihn ein Reporter fragte, warum er denn weine, antwortete der junge Mann, es täte ihm leid, aber sein Terrier sei nach seinem großen Bruder benannt, und dieser große Bruder sei im letzten Krieg in einem Schutzbunker gestorben, und er könne einfach nicht anders, sagte er, denn bei all der Feier und Aufregung würde ständig der Name des Hundes genannt, immer und immer wieder, weshalb es ihm unmöglich sei, in diesem Augenblick nicht an seinen Bruder zu denken und daran, wie es für ihn wohl gewesen wäre, wenn er an diesem Tag hätte hiersein können, einem Tag voller Fröhlichkeit, an dem sein Hund mit Namen Ahmad zum Sieger ernannt worden war.

Kent Johnson, Freeport/Illinois

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Wie mag das Urteil über eine Welt in aussichtsloser Konfrontation zwischen zwei fundamentalistischen Extremen lauten, die beide vergessen haben, daß es letztlich um das menschliche Herz und die Rettung des Lebens auf diesem Planeten geht?

Janet Rodney, Santa Fe

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Folgen wir buchstabengetreu unserer irren Logik, sind wir über ein "Je eher, desto besser" längst hinaus.

Richard Outram, Kanada

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Dieser Krieg ist nicht wie andere Kriege; er wird keinen Frieden, sondern nur noch mehr Krieg bringen.

Homero Aridjis, Mexiko

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Wann hat ein Krieg zuletzt Frieden gebracht?

Dhritiman Chaterji, Indien

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Bin Laden und Saddam Hussein werden mit der Zeit vergessen werden, George W. Bush aber nicht; er stellt eine weit ernstere Bedrohung für unseren Verstand, für die Gerechtigkeit und die Freiheit aller Menschen dar - wenn wir ihn nicht aufhalten, ehe er in unserem Namen ungeheure Kräfte freisetzt.

Masao Miyoshi, Kalifornien

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Nichts ist heutzutage so primitiv wie hochmoderne Massenvernichtungswaffen in den Händen einer Supermacht, die ihrem Untergang entgegengeht.

Njabulo S. Ndebele, Südafrika

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Weil sie trotz breiter Opposition gegen den Krieg darauf beharren, daß nur die politischen Führer wissen, was am besten für ein Land ist, haben Bush und Blair der Demokratie unermeßlichen Schaden zugefügt.

Lewis Nkosi, Südafrika

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Ich verurteile den drohenden Krieg gegen den Irak aus politischen, moralischen und humanitären Gründen, und ich hoffe, die Weltöffentlichkeit ist so stark, daß sie die kriegstreibenden Mächte davon abhalten kann, diesen Krieg zu beginnen.

Ranabir Samaddar, Kathmandu, Nepal

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Ich kann nur hoffen, daß man sich irgendwann an diese Tage des Terrors nicht wegen ihrer Gewalt, der Habgier, der Angst und der Lügen so vieler unserer Politiker erinnern wird, sondern deshalb, weil sich weltweit ein breites Spektrum von Menschen zusammenfand, um nach Frieden und wahrer Sicherheit für jeden Bewohner dieses Planeten zu streben.

Ariel Dorfman, USA

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Ich fürchte mich vor dem Krieg!

Laszlo Krasznahorkai, Ungarn

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Dieser Krieg bedeutet den Sieg des Dschungels, eine Niederlage für die menschliche Rasse.

Buthaina Al Nasiri, Irak, derzeit Kairo

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Wenn die Regierung von George W. Bush abertausend Leben opfert, um ihren imperialen Gelüsten zu frönen, wird sie die apokalyptischen Reiter wecken.

Dick Russell, Los Angeles

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Der Krieg kommt nicht, er hat bereits angefangen. Es ist ein Krieg gegen die Mächte der Borniertheit und der Habgier, eine Schlacht gegen die Lügen der Apathie und der Ignoranz. Keine Flaggen und keine Götter werden uns retten oder verdammen. Unsere einzige Hoffnung liegt in unserem persönlichen Handeln, darin, unsere Stimme gegen die Raserei der Lüge und der Wut zu erheben. Der Krieg hat bereits angefangen, er trifft jeden von uns. Entweder wir stellen uns den Vorurteilen in den Weg oder er wird über uns alle richten. Der Krieg hat bereits angefangen, und die einzige Chance, ihn nicht zu verlieren, besteht darin, ihn bei seinem wahren Namen zu nennen.

Carlos Ruiz Zafón, Los Angeles

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Warum zahlen wir nicht einfach fürs Öl?

Deborah Eisenberg, New York

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"Ich habe diesen Krieg in mir laengst gehabt" - schrieb Klee vor fast 100 Jahren eine Weisung für all jene (Personen, Nationen wie auch ganze Kulturen), die ihn in sich (und gegen sich) noch nicht gehabt haben.

Josef A. Tillmann, Budapest

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Es ist Aufgabe der Strategie, bei einem Krieg den Beifall der Beobachter zu finden, ein besseres Leben für die Zukunft der Feindbevölkerung zu garantieren und den dann folgenden Undank der ehemaligen Feindbevölkerung vorauszusehen.

Heiner Mühlmann, Wuppertal

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Wie das Phantom der Ernsthaftigkeit und staatsmännischen Räson, wie das Scheinhafte der weltzivilisatorischen, der friedens- und demokratiestiftenden Absicht in Bushs Gesicht und Habitus immer wieder über die reflexive Betrachtung, den kritischen und analytischen Blick der Millionen und Abermillionen von (nicht rundweg verblendeten) Menschen siegen, das macht mir nicht weniger Angst als das "Böse" des menschenverachtenden Diktators Saddam Hussein; wie die Bush-Regierung die von ihr gebrandmarkte nichtzivilisatorische Gewalt in ihre eigene Politik integriert hat, steigert diese Angst zur Sorge um die Zukunft dessen, was wir Zivilisation nennen.

Hans-Jürgen Heinrichs, Gomera

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Seine Mama hat zu Forrest Gump gesagt, er solle rennen, und wir haben in dem Film gleichen Namens gesehen, was das und wo es etwas bewirkt, im Großen wie im Kleinen, und nun können wir uns in einem konkreten Fall überlegen, ob wir mit diesem sympathischen Kerl mitrennen wollen oder ob uns seine schlichte Art nicht doch zu beschränkt erscheint.

Uwe Kolbe, Berlin

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Wer nicht Partei ergreift, sieht, daß die Situation sich immer mehr zuspitzt und zugleich immer differenzierter betrachtet wird; daraus ergeben sich Spielräume für die Lage nach dem Krieg.

Dirk Baecker, Witten/Herdecke

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Der Krieg scheint so vorhersehbar und unvermeidlich, dennoch sind wir überrascht, was nur allzu menschlich ist.

Peter Zilahy, Budapest

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Keine chemische Waffe ist für die Menschheit so gefährlich wie jene, die von Testosteron aktiviert wird, und doch können allein unsere Gefühle für andere Menschen, die selbst wiederum von erotischer Chemie geschürt werden, Gerechtigkeit und letztlich Frieden bringen.

Wallace Shawn, New York

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Letztlich wird alles vom amerikanischen Volk und den arabischen Völkern abhängen. Denn nur das amerikanische Volk kann die amerikanische Kriegsmaschine aufhalten, und nur die arabischen Völker können eine Alternative zum islamischen Fundamentalismus und zu militärischen Diktaturen finden. Doch sie werden nichts tun, solange wir, das europäische Volk, nicht massenhaft unsere Meinung zum Ausdruck bringen und den Konflikt der Kulturen ablehnen.

Étienne Balibar, Frankreich

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Glauben die Leute, die heute Amerika regieren, denn wirklich, sie könnten Asien erobern und beherrschen?

Jaan Kaplinski, Estland

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In der Zeit nach dem Kalten Krieg markiert dieser Krieg einen Wendepunkt für den US-Imperialismus: Er läßt den bislang verborgenen und untergründig schwelenden Konflikt zwischen Amerika und dem Rest der Welt offen ausbrechen und treibt ihn auf die Spitze.

Ziauddin Sardar, London

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Nichts überrascht und frustriert uns so stark wie die Einsicht in unsere eigene Hilflosigkeit.

Kazimir Velimir Curgus , Belgrad

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Kein Mensch und keine Regierung kann einen Krieg wollen und zugleich behaupten, zivilisiert zu sein.

Bina Sarkar Ellias, Mumbai, Indien

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Krieg bedeutet Tod, nicht Frieden!

Albert Chimedza, Harare

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Jene fundamentalistische protestantische Sekte, die mit dem Grundsatz "Geld als Tugend und Letzte Wahrheit" (wie von Max Weber gezeigt) und dem Prinzip der Weltbeherrschung als besonderem Recht und Anrecht (wie von der Geschichte gezeigt) die Vereinigten Staaten gründete, unternimmt nun trotz unserer protestierender Stimmen und unserer Leben die allergrößten Kriegsanstrengungen für ihr Imperium.

Alberto Ruy-Sanchez

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Dieser Krieg basiert auf einer neuartigen, globalen Mobilisierung durch medial vermittelte Terrorangst und Kriegspropaganda; er setzt eine neue Generation von Massenvernichtungswaffen ein, die Millionen Opfer kosten und langfristige ökologische Verwüstung schaffen wird, zugleich aber bewirkt er weltweit Solidarität und politischen Widerstand in bisher ungekanntem Maße, neue Strategien und spirituelle Ziele.

Eduardo Subirats, New York

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Jeder Politiker, der sich tatsächlich dem Frieden und der Demokratie verpflichtet fühlte, bezahlte mit Kriegsgeldern Bildung, Ernährung und Erziehung der Kinder, die auf jede nur erdenkliche Weise die ersten Opfer des Krieges sein werden.

Susan Winnett, Hamburg

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Bush, meinen Sohn kriegst du nicht!

Jennifer Bartlett, New York

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Samuel P. Huntingtons Schlagwort vom "Aufeinanderprallen der Kulturen" war bloß die kühne und ehrgeizige Hypothese eines Akademikers, möglicherweise auch eine Warnung. Der kalkulierte Irakkrieg von George W. Bush wird dieses Aufeinanderprallen vermutlich Wirklichkeit werden lassen.

Peter Schneider, USA

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Wir alle sollten dem amerikanischen Volk helfen, die internationale Tyrannei seines Präsidenten Bush zu beenden und so dem irakischen Volk helfen, die nationale Tyrannei von Saddam Hussein zu beenden.

U. R. Ananthamurthy, Bangalore, Indien

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Nicht eine erzwungene globale Moral macht die Weltgesellschaft human, sondern eine Vielfalt möglicher moralischer Ordnungen.

Helmut Willke, Bielefeld

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Wer, ohne zu sagen, warum, im Verschieben von Sätzen und Truppen allem Vorschub leistet, wird mit den militärischen Einheiten auch die geistigen verlagern, und nunmehr wird, zwischen Kollateralschäden, die Frage lauten: Warum nicht?, und so muß, reine Logik, auch mit Rückfragen gerechnet werden.

Volker Demuth, Zwiefaltendorf

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Es gibt stille grausame Kriege und solche, die Monate vorher die Weltbevölkerung mit Nachrichten bombardieren.

Hannes Böhringer, Berlin

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Saddam Hussein mag ein böser Mensch sein, doch vielleicht sollten Bush und Blair noch einmal Moby Dick lesen, um zu begreifen, daß ein allzulang und unrecht geführter Kampf gegen das Böse letztlich die Kämpfer verdirbt und zu Ungeheuern werden läßt.

Pauline Melville, Großbritannien

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Das Prinzip der Todesstrafe führt zu diesem Krieg. Rache und die Überzeugung, daß Gott auf seiten der Mächtigsten steht, entfesseln ihn. Und das heißt, daß wir wieder in einer primitiven Welt leben.

Lídia Jorge, Lissabon

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Paranoia schlägt Amerika in den Bann; den Angriff auf die Zwillingstürme verwandelt Amerika in den Beginn des Dritten Weltkrieges, eines Krieges gegen die Dritte Welt.

Lawrence Ferlinghetti, New York

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Dieser unvermeidliche Krieg wird neben anderen schönen Dingen ein weltweites Gefühl der Ohnmacht und Wut mit sich bringen, das uns nicht in Frieden läßt.

Reinaldo Montero, Havanna

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Wir haben keine Kontrolle über die Welt (was uns in schwierigen Zeiten verzweifeln läßt), aber wir haben Kontrolle über das "Gewicht" der Welt; machen wir es so leicht wie möglich!

Michail Ryklin, Moskau

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Eine Zustimmung zu diesem Krieg gegen den Irak macht uns zu Komplizen der Barbarei - nein zum Krieg.

Julia Otxoa, Ricardo Ugarte, Baskenland

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Errichten wir Ehrenmale für den unbekannten Zivilisten!

Felipe Hernández Cava, Spanien

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Seitdem die westliche Welt nicht mehr durch einen Kalten Krieg oder ihre Religionskriege zweigeteilt ist, sucht sie nach einer Möglichkeit, wie sie sich auf andere Weise teilen kann: Denn wahrscheinlich ist es ihr unerträglich, sich zu vereinigen.

Jean-Luc Nancy, Straßburg

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Wirkliche oder vermeintliche Tyrannen zu stürzen, diesen Vorwand haben die Vereinigten Staaten immer benutzt, um Völker, die ihre Interessen bedrohen, zu vernichten.

Tomás Eloy Martínez, Argentinien/USA

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Nein zur Invasion im Irak, nein zu Bush, nein zu Aznar, kein weiteres Polen, keine weiteren Kollaborateure.

Rosa Maria Pereda, Madrid

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Im Namen der Demokratie wird man einen Krieg führen, den die Wähler ablehnen, im Namen der Sicherheit wird man einen Krieg führen, der uns in Unsicherheit stürzt, im Namen des Friedens wird man einen Krieg führen.

Antonio Altarriba, Spanien

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Mr. Bush, Sie müssen verstehen: Frieden heißt, das Recht des anderen zu achten, das gilt für die Nationen wie für die einzelnen Menschen.

Eduardo Sguiglia, Buenos Aires

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Endlich wissen wir, warum manche den Irak vernichten wollen - es geht nicht einmal um Eigennutz (das Erdöl) oder Vormachtstreben (die Macht). Der Grund ist einfach, daß es blutdürstige Leute sind.

Enrique Murillo, Spanien

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Wir wissen, was für eine Beute ihr an euch reißen wollt, das Erdöl und die Militärherrschaft. Aber wir wissen noch nicht, in Zahlen oder Prozenten ausgedrückt, wie viele Greise und Greisinnen, Männer und Frauen, Jungen und Mädchen ihr töten oder verstümmeln wollt. Nennt uns die Zahl. Nennt uns die Menge: Wieviel Menschenfleisch wollt ihr erbeuten?

Suso de Toro, Galicien

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Der Irakkrieg ist der Beginn der historischen Auferstehung Groß-Eurasiens gegen die Transatlantische Gemeinschaft.

Alexander Rahr, Berlin

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Haben & Nehmen und Geben & Bekommen sind aus demselben Baukasten gemacht.

Lawrence Weiner, New York

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Beim Unmöglichen anfangen.

Yang Lian, London

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NABAD IYO CAANO, Frieden und Milch, das ist es, was sich die somalischen Nomaden wünschen, selbst ihren augenblicklichen Feinden.

Abdourahman A. Waberi, Frankreich

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Die menschenverachtende Anmaßung - des öffentlich geplanten Krieges -

verselbstständigt Menschen zum Abschuß - und berechnet bereits den Profit,

der aus dem Öl der Trümmer zu ziehen ist.

Wolfgang Krause Zwieback, Leipzig

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Die Kunst sitzt nicht am Tisch der Macht, sie sitzt ihr gegenüber.

Lothar Baumgarten, New York

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Die Entscheidung, den Irak zu bombardieren, ist eine Strafmaßnahme und vorsätzlich geplant und gründet nicht auf einer Untat von Seiten seiner Regierung; aus diesem Grund ist sie unfair.

Dapo Adeniyi, Lagos, Nigeria

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Die kommende Ausgabe Lettre 148 erscheint Mitte März 2025.