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Cover Lettre International 38, Esther & Jochen Gerz
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Inhaltsverzeichnis

LI 38, Herbst 1997

Ultra-Darwinismus

Die Evolutionstheorie zwischen Dogmatismus und Offenheit

(...) Der Fehler in Dennetts Argumentation untergräbt auch seine andere imperialistische Hoffnung - daß die Universalsäure der natürlichen Auslese auch die kulturellen Veränderungen des Menschen auf den Darwinschen Algorithmus reduzieren könnte. Dennett, auch hier wieder im Gefolge von Dawkins, versucht das menschliche Denken und Handeln als "Meme" zu identifizieren und betrachtet sie so als Einheiten, die ebenfalls einer Form der Auslese unterworfen sind, analog der natürlichen Auslese der Gene. Wenn kulturelle Veränderung über memetische Auslese verläuft, wird sie ebenso algorithmisch wie biologische Veränderung, die mittels natürlicher Auslese bei Genen funktioniert - und damit wäre die Evolution der Organismen und der Gedanken unter einer einzigen ultra-darwinistischen Rubrik vereint: "Nach Darwins gefährlicher Idee ... müssen nicht nur alle Ihre Kinder und Kindeskinder, sondern auch Ihre Geisteskinder und die Kinder Ihrer Geisteskinder aus dem gemeinsamen Bestand an Planungselementen, Genen und Memen, hervorgehen. Das Leben und all seine Herrlichkeit sind somit in einer einzigen Perspektive vereinigt."

Aber wie Dennett selbst zurecht und wiederholt betont, hängt die Allgemeingültigkeit eines Algorithmus von der "zugrundeliegenden Neutralität" ab. Das heißt, die verschiedenen Materialien (Substrate), die dem Mechanismus unterworfen sind (in diesem Fall der natürlichen Auslese), müssen sämtlich zulassen, daß der Mechanismus auf die gleiche wirksame Weise funktioniert. Wenn eine Art Substrat den Mechanismus dazu bewegt, anders zu funktionieren (oder, noch schlimmer, überhaupt nicht zu funktionieren), dann versagt der Algorithmus. Um ein etwas albernes Beispiel anzuführen, das in der neueren amerikanischen Außenpolitik tatsächlich eine wichtige Rolle spielte: Die "Dominotheorie" des Kalten Krieges besagte, der Kommunismus müsse überall aufgehalten werden, denn wenn ein Land rot werde, würden auch andere Länder rot. Länder seien wie aufrechtstehende Dominosteine hintereinander aufgestellt, so daß das Umwerfen des ersten die gesamte Linie zum Umfallen bringe. Wollte man nun eine allgemeine Formel (oder einen Algorithmus) entwerfen, um die notwendige Fortpflanzung eines solchen Anstoßes zu beschreiben, und den Algorithmus als allgemeine Regel für alle Systeme heranziehen, die aus einer Reihe separater Objekte bestehen, dann würde die Allgemeingültigkeit des Algorithmus von der zugrundeliegenden Neutralität abhängen - das heißt, der Algorithmus müßte immer funktionieren, ungeachtet des Materials (in diesem Falle Dominosteine und Nationen). Die Dominotheorie versagte, weil Unterschiede im Material das Ergebnis beeinflussen, und solche Unterschiede können sogar das Funktionieren des Algorithmus entgleisen lassen. Dominosteine müssen umfallen, aber die zweite Nation in einer Reihe könnte sich schützen, trotz des Anstoßes stehen bleiben und ihn daher nicht weitergeben.

Die natürliche Auslese genießt nicht diese erforderliche zugrundeliegende Neutralität. Wie der große Evolutionstheoretiker R. A. Fisher schon vor vielen Jahren im Gründungsdokument des modernen Darwinismus nachwies (The Genetical Theory of Natural Selection, 1930), bedarf die natürliche Auslese der mendelschen Vererbung, wenn sie funktionieren soll. Die genetische Evolution arbeitet mit einem solchen Substrat und kann daher darwinistisch sein. Kulturelle (oder memetische) Veränderung hat es offenkundig mit dem radikal verschiedenen Material der Lamarckschen Vererbung zu tun, oder der Weitergabe erworbener Merkmale an die folgenden Generationen. Was immer wir zu unseren Lebzeiten erfinden, wir können es vermittels unseres Schreibens und Lehrens an unsere Kinder weitergeben. Evolutionisten haben längst begriffen, daß der Darwinismus in Systemen der Lamarckschen Vererbung nicht wirksam funktionieren kann - denn die Lamarcksche Veränderung hat eine so klare Richtung und erlaubt einen so schnellen Fortschritt der Evolution, daß der viel langsamere Prozeß der natürlichen Auslese angesichts des Lamarckschen Molochs zur Bedeutungslosigkeit verblaßt.

Dieser entscheidende Unterschied zwischen biologischer und kultureller Evolution erledigt auch die selbstproklamierten revolutionären Ansprüche einer vielbesprochenen Lehre - der "evolutionären Psychologie" -, die ganz nützlich sein könnte, wenn ihre Vertreter ihren ultra-darwinistische Vasallentreue durch eine gesunde Dosis Bescheidenheit ersetzen könnten.

Im Licht der vorangegangenen Gedanken möchte ich für die Bewertung öffentlicher Ankündigungen von Wissenschaftlern eine Faustregel empfehlen: Besonders mißtrauisch sollte man immer sein, wenn ein revolutionärer Status in Anspruch genommen wird, besonders seit Thomas Kuhn die Geschichte der Wissenschaft neu formulierte, so daß "Revolution" zum ausdrücklichen Ziel der ehrgeizigen Phantasien eines jeden Wissenschaftlers wurde. Carol K. Yoon, eine scharfsichtige Wissenschaftsautorin der The New York Times, arbeitete sich durch die Rhetorik direkt zum schwachen Fundament vor, als sie schrieb: "Es ist eine wissenschaftliche Revolution, sagte (ein prominenter Anhänger der evolutionären Psychologie) über diese neu benannte Wissenschaft, die manchmal wie eine unerfreuliche Mischung aus wissenschaftlicher Methodik und Cocktail-Party-Geschwätz wirkt." Menschen sind Tiere, und der Geist entwickelte sich; daher müssen alle neugierigen Menschen die Suche nach einer evolutionären Psychologie unterstützen. Aber die Bewegung, die diesen Namen in ihren Dienst gestellt hat, übernimmt eine fatal restriktive Sicht von der Bedeutung und dem Ausmaß der evolutionären Erklärung. Die "evolutionäre Psychologie" ist, kurz gesagt, in die gleiche ultra-darwinistische Falle geraten, der auch Daniel Dennett und seine Mitstreiter zum Opfer fielen - denn Anhänger dieser neuen Kunst beschränken Darstellungen der Evolution auf das Wirken der natürlichen Auslese und konsequenten Anpassung zugunsten des persönlichen Reproduktionsprozesses.

 Die evolutionäre Psychologie, als vorgebliche Wissenschaft vom menschlichen Verhalten, ging selbst vermittels "modifizierter Abstammung" aus der Soziobiologie der siebziger Jahre hervor. Aber die neue Art, die wie viele Kinder nach Unabhängigkeit strebte, möchte ihre tatsächliche Ahnenreihe vergessen machen, indem sie einen neuen Namen annimmt und einige echte Unterschiede übertreibt, während sie den viel größeren Teil an gemeinsamer Lehre ignoriert - all das, wie ich vermute, um dem Ruch der zweifelhaften politischen Implikationen und spekulativen Fehlschläge der Soziobiologie aus dem Wege zu gehen (abgesehen von einigen eindeutigen Erfolgen, wenn sie sich auf eine interessante Theorie und verläßliche Daten stützte, vorwiegend bei nicht-menschlichen Arten).

Drei größere Behauptungen definieren den Kern des Engagements der evolutionären Psychologie; eine jede weist eine beträchtliche Stärke und eine ernsthafte (in einem Fall fatale) Schwäche auf. 1. Modularität. Menschliches Verhalten und geistige Operationen lassen sich in eine relativ abgeschlossene Reihe von Posten oder geistigen Organen aufteilen. (In einer prominenten Untersuchung zum Beispiel bezeichnen die Autoren einen "Betrugsdetektor" als ein geistiges Organ, da die Fähigkeit zur Erkenntnis von Untreue und anderen Formen der Täuschung so entscheidend sein kann für den Darwinistischen Erfolg - das adaptionistische Grundprinzip). Das Argument für die Modularität fließt teilweise aus erregenden Arbeiten der Neurobiologie und Erkenntniswissenschaft über die Lokalisierung der Hirnfunktionen - indem zum Beispiel verschiedenen Bereichen der Hirnrinde präzise einige geistige Operationen zugeordnet wurden, von denen man früher glaubte, sie ließen sich nur willkürlich nach sozialen Konventionen aufspalten (die Produktion von Vokalen und Konsonanten zum Beispiel, oder die Benennung von Tieren und Werkzeugen).

(...)

 zusätzliche Zeit und Aufmerksamkeit abzuringen (in Form der Kinderversorgung oder Nahrungsbeschaffung etc.). (Bei den meisten geschlechtlich sich fortpflanzenden Arten erzeugen die Männchen große Mengen an "billigem" Sperma, während die Weibchen relativ wenige, "energetisch kostspielige" Eier bereitstellen und dann viel Zeit und Ressourcen in die Ernährung der nächsten Generation investieren müssen.) Dieses Prinzip der differenzierten "elterlichen Investition" ergibt darwinschen Sinn und liegt wahrscheinlich einigen unterschiedlichen und im weiteren Sinne allgemeinen emotionalen Neigungen männlicher und weiblicher Menschen zugrunde. Aber im Gegensatz zu Behauptungen in der neuen Flut von Magazinartikeln kann die elterliche Investition nicht die ganze Fülle mutmaßlicher sexueller Unterschiede erklären, die der Pop-Psychologie so lieb und teuer ist. Zum Beispiel glaube ich nicht, daß die Angehörigen meines Geschlechts nur deshalb zur Aufzucht von Babies bereit sind, weil raffinierte Frauen uns überlisten. Ein Mann fühlt vielleicht Liebe für ein Baby, weil das Kind so niedlich aussieht und auf ihn angewiesen ist, und weil ein Vater in seinen Nachkommen ein Stück von sich selbst erkennt. Dieses Gefühl ist nicht notwendig eine spezifisch ausgewählte darwinsche Anpassung für meinen Reproduktionserfolg oder das Ergebnis einer weiblichen List, die kulturell erzwungen ist. Direkte Anpassung ist nur eine Art des evolutionären Ursprungs. Schließlich habe auch ich Brustwarzen nicht weil ich sie brauche, sondern weil Frauen sie haben und allen Menschen die gleichen grundlegenden Bahnen embryologischer Entwicklung gemeinsam sind. Wenn evolutionäre Psychologen weiterhin die Theorie der elterlichen Investition als zentrales Dogma hervorheben, werden sie unter Umständen schließlich das Schicksal der Freudianer erleiden, die ebenfalls einige gute Einsichten hatten, aber spektakulär scheiterten, wobei sie Millionen Menschen ernsthaften Schaden zufügten (Frauen zum Beispiel, die als "frigide" eingestuft wurden, wenn sie nicht den unmöglichen physiologischen Übergang vom klitoralen zum vaginalen Orgasmus schafften), weil sie ein Prinzip von eingeschränkter Geltung zu einem rigiden Glauben erhoben, der schließlich eher eine unüberprüfbare und unveränderliche Religion wurde als eine Wissenschaft.

Exklusiver Adaptionismus leidet fatal unter zwei allgemeineren Fehlerquellen - eine ist der Darwinschen Theorie äußerlich, die andere ist ihr inhärent. Der äußerliche Fehler entsteht aus grundlegenden Unterschieden im Prinzip und Mechanismus zwischen einerseits der genetischen darwinschen Evolution und andererseits dem menschlichen Kulturwandel, der seinem Wesen nach gar nicht darwinistisch sein kann. Da alle Teilnehmer an diesen Diskussionen, auch Dennett und die evolutionären Psychologen, darin übereinstimmen, daß ein großer Teil des menschlichen Verhaltens sich eher kulturell initiiertem als genetisch kodierten Wandel verdankt, müßte, wenn man der darwinschen Erklärung absolute Autorität zuschreibt, auch die Kultur auf darwinsche Weise funktionieren. Aber aus zwei prinzipiellen Gründen (und aufgrund eines Schwarms anderer Faktoren) entfaltet sich der Kulturwandel praktisch in Antithese zu darwinschen Voraussetzungen. Erstens, topologisch: Wie die verbreitete Metapher verkündet, erbaut die biologische Evolution einen Baum des Lebens - ein System auf der Grundlage kontinuierlicher Diversifizierung und Trennung. Eine Abstammungslinie erlangt nach ihrer Verzweigung als neue Art ein völlig unabhängiges evolutionäres Schicksal. Die Natur kann keine neue Säugetierart schaffen, indem sie 20 Prozent Dugong mit 30 Prozent Ratte und 50 Prozent Erdferkel mischt. Aber der Kulturwandel funktioniert weitgehend in einem entgegengesetzten Prozeß der Anbindung oder Verknüpfung von Abstammungslinien. Marco Polo besucht China und kehrt mit vielen der Sitten und Fertigkeiten zurück, die später die italienische Kultur auszeichnen. Ich spreche Englisch, weil meine Großeltern nach Amerika auswanderten. Mehr noch, diese Verflechtung impliziert, daß der menschliche Kulturwandel nicht einmal genealogischen Linien folgen muß - das grundlegendste Erfordernis eines darwinschen Evolutionsprozesses -, denn selbst die entferntesten Kulturlinien können sich mühelos beieinander bedienen. Wenn wir eine biologische Metapher für Kulturwandel suchen, dann sollten wir wahrscheinlich eher Infektion verwenden als Evolution.

Zweitens, kausal: Wie oben behauptet, wirkt der menschliche Kulturwandel in seinen Grundzügen nach der Lamarckschen Methode, während die genetische Evolution strikt darwinistisch bleibt. Lamarcksche Prozesse sind so labil, so zielgerichtet und so schnell, daß sie die darwinschen Veränderungsgeschwindigkeiten in den Schatten stellen. Da die lamarckschen und darwinschen Systeme so unterschiedlich funktionieren, wird der Kulturwandel aus dem Darwinismus nur beschränkte (und metaphorische) Erleuchtung empfangen. Der innere Fehler des Adaptionismus ergibt sich aus der Unfähigkeit zu erkennen, daß der reine Darwinismus selbst bei reibungslosem Funktionieren Organismen voller nichtadaptiver Teile und Verhaltensweisen zustandebringt. Nicht-Anpassungen entstehen in darwinschen Systemen aus vielen Gründen - berücksichtigen wir hier nur mein Lieblingsprinzip der "Spandrillen".

Alle Organismen entwickeln sich als komplexe und untereinander verknüpfte Ganzheiten, nicht als lockere Bündnisse getrennter Teile, von denen jeder für sich durch die natürliche Auslese optimiert würde. Jede adaptive Veränderung muß außerdem zusätzlich eine Reihe Spandrillen oder nicht-adaptive Nebenprodukte hervorbringen. Diese Spandrillen können später zu einer zweiten Nutzung "kooptiert" werden. Aber wir würden einen ungeheuren logischen Fehler begehen, wollten wir behaupten, daß diese zweite Nutzung die Existenz einer Spandrille erklären könne. Ich kann eines Tages erkennen, daß mein Lieblingsbumerang wundervoll in den gebogenen Raum meiner Eßzimmerspandrille paßt, aber Sie würden mich für ziemlich albern halten, wollte ich Ihnen auseinandersetzen, die Spandrille existiere, um den Bumerang aufzunehmen. Ähnlich bauen Schnecken ihre Häuser, indem sie eine Röhre um eine Achse der Spirale winden. Dieser geometrische Prozeß hinerläßt entlang der Achse einen leeren zylindrischen Raum, der umbilicus genannt wird. Einige Schneckenarten verwenden den umbilicus als Brutkammer, um Eier zu lagern. Aber der umbilicus entstand als nicht-adaptive Spandrille, nicht als Anpassung für den Reproduktionserfolg. Die allermeisten Schnecken nutzen ihre umbilici weder zum Brüten, noch überhaupt für irgendetwas. Wenn irgendein Organ prima facie voller Spandrillen sein muß, dann wäre das menschliche Hirn der geeignetste Kandidat - wodurch der Adaptionismus ein besonders zweifelhafter Ansatz für das menschliche Verhalten wird. Ich kann mir das konventionellste darwinsche Argument zu eigen machen (ich tue es auch wirklich), warum des menschliche Hirn sich zu solcher Größe entwickelte - und dennoch kann das nicht-adaptionistische Prinzip der Spandrillen die menschliche Natur beherrschen. Ich gebe mich mit der Überzeugung zufrieden, daß das menschliche Hirn aufgrund der natürlichen Auslese groß wurde und aus adaptiven Gründen - das heißt, für irgendeine Reihe von Tätigkeiten, die unsere Vorfahren auf der Savanne nur mit größeren Hirnen bewältigen konnten. Impliziert dieses Argument, daß alle genetisch und biologisch begründeten Attribute unserer universellen menschlichen Natur daher Anpassungen sein müssen? Natürlich nicht. Viele, wenn nicht die meisten allgemeinen Verhaltensweisen sind wahrscheinlich Spandrillen, die häufig später in der menschlichen Geschichte für wichtige Sekundärfunktionen kooptiert wurden. Das menschliche Hirn ist das komplizierteste Gerät zum Denken und Rechnen und für den Ausdruck von Gefühlen, das jemals auf der Welt entwickelt wurde. Die natürliche Auslese ließ das menschliche Hirn wachsen, aber die meisten unserer geistigen Fähigkeiten und Potentiale können durchaus Spandrillen sein - das heißt nicht-adaptive Nebenfolgen, die beim Bau eines Geräts von solcher Komplexität anfielen. Wenn ich einen kleinen Computer (kein Gegner für mein Hirn) in meine Fabrik stelle, dann bilden meine adaptiven Gründe dafür (er soll die Buchhaltung erledigen und Gehaltsschecks ausstellen) nur einen winzigen Bestandteil dessen, was der Computer kraft seiner Struktur leisten kann (er könnte meine Daten über Landschnecken analysieren oder jeden beliebigen Gegner unablässig bei einem Brettspiel schlagen). Rein zahlenmäßig gibt es viel mehr Spandrillen als Anpassungen.

Das menschliche Hirn muß von Spandrillen überfließen, die für die menschliche Natur wesentlich sind und entscheidend für unser Selbstverständnis, die jedoch als Nicht-Anpassungen entstanden und daher jenseits der Reichweite der evolutionären Psychologie oder jeder anderen ultra-darwinistischen Theorie liegen. Das Hirn vergrößerte sich nicht durch natürliche Auslese, damit wir lesen oder schreiben könnten. Selbst eine so eminent funktionale und universale Institution wie die Religion entstand weitgehend als Spandrille, wenn wir Freuds altes und einsichtiges Argument akzeptieren, daß die Menschen den religiösen Glauben weitgehend deshalb erfanden, um die erschreckendste Tatsache zu verarbeiten, die unser großes Hirn uns zu erkennen zwang: die Unausweichlichkeit des persönlichen Todes. Wir können ja wohl kaum behaupten, das Hirn sei so groß geworden, damit wir wüßten, daß wir sterben müssen!

(...)

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Die kommende Ausgabe Lettre 147 erscheint Anfang Dezember 2024.